Der Braten dampft noch frisch im Teller, die Sauce bahnt sich ihren Weg Richtung Blaukraut vorbei am Knödel-Gebirge. Er hat mehrere Gifpel. Zum Abkühlen gibt es Eis, mindestens Häagen Dasz Cookies & Cream. Und überall stehen diese verdammten Plätzchen herum – die Weihnachtsfeiertage sind schon echt geil! Und schuld daran, dass jetzt wieder kein Crosstrainer im Fitness frei sein wird. Weil jeder so scheiß motiviert ist.
Nach dem Schlemmen kommt das Spammen: Wir klopfen noch genüsslich auf unseren neuen Resonanzkörper – hörst du den Unterschied auch? – und gucken auf Facebook. Die erste Meldung: Paleo-Diät. Nummer zwei: Clean Eating. Alternativ Angehauchte freuen sich über Seminare zur Lichtnahrung. Ordentlich kacken hilft am schnellsten, aber das will sagt keiner laut sagen. Damit verdient man ja nichts.
Wer jetzt nach Diäten sucht, stößt vermutlich auch auf den Verzicht auf Zucker und/oder Weißmehl. Manche nenne das „clean eating“. Am Schluss muss man nämlich alles selbst kochen, weil in gekauften Lebensmitteln meistens beides enthalten ist. Im Sommer 2016 habe ich das für eine Woche getestet, weil ich … ich weiß nicht, warum. Ich war einfach neugierig.
Wie das so war, was meine Alternativen waren und warum Abnehmen momentan ne blöde Idee ist, erfahrt Ihr diesmal. Legt Euch ein paar Plätzchen bereit!
Ohne Zucker, ohne Weißmehl –
der Test für eine Woche
Natürlich kann man von nur einer Woche Ernährungsumstellung nicht viel erwarten und darf sie vermutlich nicht mal so nennen. Ich wollte einfach wissen, ob ich das durchhalte. Und natürlich bin ich auch nicht gegen die ständigen Meldungen in den Medien immun: „Weizen/Gluten/Kohlenhydrate … Fett … Essen überhaupt, ach alles!! Alles böse, böse, böse!“
Dass Zucker ein Arschloch ist, ist hinlänglich bekannt und gefühlt der aktuellste Hype. Wegen Weißmehl (WTF?) googelte ich und erfuhr: Das ist so lange durchgesiebt, bis es so ziemlich nichts mehr vom Korn enthält. Dafür aber Kalorien. Ums Kalorienzählen geht es mir nicht so, aber mir widerstrebt die Vorstellung, mir etwas Hochkalorisches reinzupfeifen, das kaum Nährwerte hat. Das dürfen Chips und Schokolade mal, weil sie einfach viel zu gut schmecken. Aber müssen täglich Semmeln sein, die ich zwar mag, aber vergleichsweise wenig spektakulär finde?
Um mich nicht zu sehr unter Druck zu setzen, habe ich mich auf eine Woche Experiment beschränkt. Soviel sei schon verraten: Ja, ich habe durchgehalten, bis auf einen unnötigen, blöden Ausrutscher am letzten Tag. Aber später dazu mehr.
Macht sie jetzt einen auf Ernährungsexpertin?
Nein. Aber sie hat einen. Im Bauch.
Warum muss Essen heute so kompliziert sein – reicht es nicht, nach lecker/bäh zu gehen?
Wenn ich eine Ernährungs-Einstellung habe, dann die, dass mein Appetit mein bester Ernährungsexperte ist. Und wenn der „Nutellabrot!“ schreit, bekommt er eben das. Ich kann mich relativ gut darauf verlassen, dass er morgen dafür nach Spinat schreien wird. 2017 nennt man dieses Verhalten „intuitive eating“. Ich greife jetzt schon mal dem nächsten Trend vor und arbeite an dem Bestseller 2018 „Länger und gesünder leben durch regelmäßiges Atmen“.
Weil ich so nach Appetit gehe, hatte ich vor meiner einen Woche ohne Zucker & Weißmehl durchaus Angst: Wie geht es mir, wenn ich mir nie dem nachgeben kann, worauf ich gerade Lust habe? Werde ich dann zu einer Gefahr für meine Umwelt? Die bestand definitiv, ooooh ja!
Auf Weißmehl und Zucker verzichten – wie schwierig ist das nun?
Ich stamme aus einer „Brot mit was drauf“-Familie: Morgens eins mit Marmelade oder Honig, als Mittag- oder Abendessen häufig Brotzeit und einmal eben was Warmes. Das ist bequem, geht schnell und schmeckt gut. Als ich ausgezogen bin, habe ich plötzlich erlebt, dass ein Mensch auch ohne Brot überlebensfähig sein kann. Dafür gab es dann Müsli zum Frühstück, Mittag und Abendessen. Nimm mir meine Kohlenhydrate, und ich sauge jegliches Glück aus deinem Leben! Selbst nach einem XXL-Salat mit 10kg Käse drüber – zwei Stunden später knurrt mein Magen wieder. Hat hier wer ’nen Keks?
Eine Woche bewusst aufs Essen gucken –
vor allem beim Einkauf
Nun sollte es ja vergleichsweise einfach sein, zu Vollkornprodukten greifen zu können, zumal es gefühlt überall draufsteht. Wer aber auch das Kleingedruckte liest, erfährt schnell: Vollkorn darf sich vieles nennen, in dem alles mögliche andere – und natürlich auch Weißmehl – drin ist. Zucker kann man ohnehin überall dazutun, davon ist die Lebensmittelindustrie schwer überzeugt. Davor ist auch nicht der Bioladen gefeit. Einkaufen machte mir keinen Spaß mehr. Wenn ich etwas ohne Zucker/Weißmehl entdeckt hatte, kaufte ich gleich zwei Packungen davon – und blieb ich dabei. Lieber eine Woche Essens-Monotonie als ewig Etiketten lesen.
Auf der Suche nach einem 100%-Vollkorn-Knäckebrot landete ich bei Wasa und Finncrisp. Ersteres schmeckt ganz hervorragend nach Karton. Finncrips fand ich überraschend lecker. Irgendwann nervt das aber auch, vor allem, wenn alle Kollegen um dir herum Leberkässemmeln, Butterbrezen und süße Teilchen mampfen. Hoaaach!
Ganz schön schwierig, so ne Lebensmittelumstellung während einer normalen Arbeitswoche!
In dieser Woche war es unumgänglich, in die Arbeit sämtliches Essen oder etwas zum Kochen mitzunehmen. Wir haben dort nur einen Balletshofer in der Nähe – jene Bäckerei in Auxburg, die jedes süße Teilchen in 5 kg Zuckerguss ertränkt. Leider haben sie aber verdammt leckere Butterbrezen. Mir die zu verkneifen verlangte mir viel ab. Habe ich erwähnt, dass mich Hunger und Appetit-nicht-stillen-können zum Hulk machen? Ich stand daneben und knabberte auf meinem Finncrisp mit Erdnussbutter oder Honig herum. Zwei Tage lang ging es gut, dann entwickelte ich Mordphantasien. Mein Chef bewies sehr großen Mut, als er mit einem Snickers in der Hand an mir vorbeilief.
Als Mittagessen habe ich oft die Rest vom Vorabend verspeist oder Brotzeit mit Finncrisp gemacht. Mein Teller sah im Vergleich zu den anderen echt arm aus: Knäcke, Käse, Gemüse. Schmeckt schon, aber macht wenig Spaß, wenn der Duft von Pommes und Burger zu dir zieht oder jemand ein geiles Nudelgericht mampft. Ich bin leider nach wie vor abends zu wenig motiviert, jeden Abend zu kochen oder mir tolle Bentos vorzubereiten, wie zum Beispiel Carla von herbs-and-chocolate. Essen ist ganz klar auch Gewöhnungssache, und diese eine Woche war ein ungewohntes Experiment: Auf einmal musste ich mir so viele Gedanken ums Kochen/Essen machen. Der Bauch flüsterte mir, wonach ihm war, ich sagte „Schnauze!“ und stopfte ihn mit Finncrisp oder Haferbrei voll.
Und daheim beim Kochen?
Beim Selber-Kochen musste ich gar nicht so viel umstellen, außer mir Vollkornmehl zu kaufen. Ich entschloss mich für Dinkel, obwohl ich nicht Weizen für den Satan halte. Dennoch dachte ich, wenn, dann schon gescheit! Omelett sieht mit Dinkelvollkornmehl leider wie etwas Ausgekotztes aus. Statt Ketchup verwende ich ohnehin lieber pures Tomatenmark, und auf Industriezucker verzichtete ich zuhause schon länger. Von Nudeln habe ich mich schon vor längerem abgegessen, und Kartoffeln gehen eh immer: Süßkartoffeln, normale, gebraten, aus dem Ofen … Kein Weißmehl, kein Zucker? Kein Problem! Und jetzt ne Schoki. Ach. Verdammt.
Was zum Süßen erlaubt war
Ich wollte nur Industriezucker zu vermeiden. Früchte und auch Honig waren also absolut okay. Rosinen und Datteln süßen ein Porridge pervers gut, wenn man sie mitköcheln lässt – also bloß nicht zuviel davon nehmen! Ahornsirup liebe ich eh und habe in der Woche noch weniger daran gespart als sonst. Agavensirup habe ich gar nicht als Alternative benötigt, sondern auf Süßungsmittel im Kaffee komplett verzichtet – oder einfach gleich heißes Wasser getrunken. Zum Glück nasche ich nur phasenweise, und die Diät fiel in eine recht nasch-unlustige Zeit.
Ernährungstagebuch
& warum Diäten im Winter Unsinn sind
In den ersten drei Tagen reichte die Disziplin noch für ein Ernährungstagebuch.
Die restliche Woche wurde die letzte Kraft dafür benötigt, auf Zucker und Weißmehl zu verzichten.
Sonntag:
Morgens / Quark mit Früchten
Mittags / Rest Baked Beans vom Vortag
Nachmittags / Obst & Nüsse
Abends / Kichererbsensalat & Blumenkohl aus dem Bachofen
Montag:
Morgens / Quark mit Früchten
Vormittags / Banane
Mittags / Rest vom Kichererbsensalat mit Halloumi
Abends / Porridge
Dienstag:
Morgens / Rest vom Porridge
Vormittags / Banane
Mittags / Knäckebrot mit Tomaten & Käse (vieeeel Käse) und Feige
Abends / Zucchini-Nudeln mit Mozzarella, Bananen-Schoko-Mus
Wenn ich das jetzt lese, muss ich mich wundern, in der Zeit nicht verhungert zu sein. Allerdings war es Sommer.
Laut Ayurveda soll man nicht im Winter mit irgendwelchen Diäten starten, weil sich da der Körper – verständlich! – verzweifelt an jedem Gramm wärmenden Speck festhält. Besser ist es, eine Kur im Frühjahr zu machen. Diese Vorstellung beißt sich leider mit dem Wunsch nach der perfekten Bikinifigur, weil man für die ja länger braucht; aber hey, das spart uns doch jetzt viel Stress. Noch ’n Vanillekipferl?
Als die Woche Verzicht richtig hart wurde
Ich hatte vor meinem Experiment nicht bedacht, dass eine Kollegin in der Woche Geburtstag hatte. Ihre Muffins konnte ich leider nur mit den Augen essen. Am Wochenende ging es dann aufs Kuahgartn-Festival. Meine üblichen Festival-Getränke (Spezi, Radler, Sprite) waren alle tabu. Ich mag kein Bier pur. Auf dem Kuahgartn blieb mir aber nichts anderes übrig, als Helles zu trinken – und freundete mich überraschend damit an. Trotzdem schielte ich neidisch auf den Gin Tonic der Freundin. Und es war mir zugegeben etwas peinlich, an der Bar nachzufragen, ob im Tonic Water Zucker ist. Wie so ne Diät-Tussi. Was ich in der Woche aber eben war.
Wenigstens musste ich mir ums Essen keine Gedanken machen, weil wir uns selbst versorgten. Ich tunkte die Gurke ins Aldi-Hummus der Freundin und kam leider erst als ich den Happen im Mund hatte auf die glorreiche Idee, auf die Zutatenliste zu gucken. Zucker! Im Hummus! Welcher Volldepp macht Zucker in Hummus?
Wie hat sich der Verzicht auf Zucker und Weißmehl auf den Körper ausgewirkt?
Die spannendste Frage war für mich und ist es vermutlich für Euch: Ist da körperlich etwas zu bemerken, und wenn ja, wie?
Als ich im Vorfeld recherchierte, war da die Rede von weniger Nachmittagstiefs und festerem Bindegewebe. Klingt beides gut. Man soll besser schlafen können und insgesamt gesünder sein. In einer Woche einen nennenswerten Effekt feststellen zu können hielt ich dennoch für fraglich.
Tatsächlich hatte ich bereits am dritten Tag kein Nachmittagstief mehr. Ich fühlte mich tief innen „frischer“ und leichter, als wäre da tatsächlich weniger Ballast, um den sich mein Körper jetzt kümmern muss. Als hätte ein Bergwind mal eben komplett durch mich hindurchgeweht. Meine Oberschenkel kamen mir etwas fester vor, aber ich darf an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass ich beinahe zeitgleich mit dem Laufen angefangen habe.
Geschlafen habe ich wie immer. Gleich gut/schlecht. Das tief durchdringende Frische-Gefühl war nach der einen Woche relativ schnell wieder weg. Die Haxen sind aber noch fest : D
Das große Finale & Fazit
Am Sonntag nach dem Festival war ich mit mit der Freundin vom Festival in einem Café in Wasserburg frühstücken. Ich las „Croissant“, fühlte das zarte Knacken schon auf meiner Zunge, schmeckte den herrlichen Buttergeschmack und blätterte seufzend weiter Richtung „Obstsalat“. Bis mir einfiel, dass das Experiment ja just an dem Tag beendet war! Dreimal dürft Ihr raten, was ich bestellt habe. Kaffee trinke ich seitdem tatsächlich ohne Zucker. An manche Sachen kann man sich also echt gewöhnen.
Durchgehalten zu haben war für mich der eigentliche Erfolg, weil ich nicht wusste, ob ich die Disziplin für so etwas überhaupt besitze. Das eben erwähnte subjektive Gefühl der Leichtigkeit war zweifelsohne bemerkenswert und angenehm. Allerdings ist es mir den Aufwand nicht wert, ständig so ein Bohei ums Essen zu machen. Bei so einer Diät dreht sich plötzlich gefühlt alles ums Essen: Huuuuunger! Darf ich das? Nein. Scheiße. Der wievielte Tag ist heute? Der erste. Ach. Und wenn ich meinen Kollegen aufesse? Geht auch nicht, der hat sich eben eine Semmel reingepfiffen.
Es war wenig abwechslungsreich, woran ich natürlich selber schuld war. Müsste ich mich länger so ernähren, würde ich natürlich intensiver nach Alternativen und leckeren Rezepten suchen, anstatt ständig nur das Nötigste und irgendwann ständig das Gleiche zu essen. Interessant ist aber natürlich auch zu sehen, dass man nicht gleich vom Fleisch fällt, wenn man sich mal einschränkt. Das müssen wir hierzulande ja eh kaum, alles ist ständig überall da und im besten Fall haben wir genügend Geld, dass wir uns nicht wegen jedem Brötchen dreimal überlegen müssen, ob das jetzt überhaupt drin ist. Sich freiwillig einzuschränken und diesem Überangebot mal Nein zu sagen war zweifelsohne eine Erfahrung, die meine Einstellung zum Essen insgesamt noch bewusster gemacht hat.
Da ich keine Waage besitze, kann ich nicht sagen, ob sich der Verzicht auf Zucker und Weißmehl auf mein Körpergewicht ausgewirkt hat. Ich kann es mir nur schwer vorstellen.
Wiederholung ausgeschlossen?
Tatsächlich habe ich so ein Experiment nicht so bald wieder vor. Dafür bin ich beim Essen viel zu lust- und appetitorientiert. Ich verlasse mich darauf, dass es schon Sinn macht, was mein Bauch mir sagt.
Tatsächlich würde ich die Theorie aufstellen, dass man sich durch unnötige langwierige Diäten bzw. komplette Kopf-Steuerung den eigenen Appetit und inneren Ernährungsratgeber kaputtmachen kann. Die Medien tun ihr übriges und überschütten uns mit immer wieder neuen Diät-Formen: Kein Fett! Ach nee, doch – keine Kohlenhydrate! Ach nee, doch, aber nur die guten! Noch dazu definieren sich viele für meinen Geschmack viel zu sehr über ihre Ernährung, eine ist richtiger als die andere. Wieso so kompliziert?
Deswegen werde ich es auch bei dieser einen Woche Experiment belassen. Es sei denn, ich habe mal wieder Appetit darauf.
Titelbild: © Barış Selcen auf Unsplash