Heute ist Neumond. Was das bedeutet? „Gute Zeit für einen Neuanfang – auf jeder Ebene“. Warum ich das weiß, ist schon stellvertretend für die Aussage, die ich heute machen will: „Hallo, ich bin Miriam und interessiere mich für Spiritualität / Esoterik / Feinstoffliches …!“ Den passenden Begriff dafür zu finden, ist schwierig. Lasst mich es deswegen schlicht „spirituelles Outing“ nennen.
Was das bedeutet?
Das bedeutet, dass ich neben Instagram eine Astro-App habe und nicht nur eine App für meinen Zyklus, sondern auch eine für den des Mondes.
In meinem Bücherreal kuscheln sich nicht nur Romane und Designbücher eng aneinander, sondern auch Fachliteratur über Astrologie, Numerologie, Kabbalah, Tarot und was es eben alles so gibt. Eckhart Tolles „Jetzt“ gehört in meine Sammlung ebenso wie „Gespräche mit Seth“. Die Klassiker von Louise Hay, Rüdiger Dahlke und Kurt Tepperwein sind mir wohl bekannt, sie gehören aber zu einer anderen Lochnerschen Bibliothek.
Derlei Themen gehören also auch zu mir dazu. Bislang habe ich dies alles – überaus passend, könnte man sagen – im stillen Kämmerlein betrieben. Denn „Esoterik“ bedeutet nichts anderes als „geheime Wissenschaften“. Das ist die knappste und geläufigste Erklärung dieses Begriffs – der mittlerweile leider für viele zum Schimpfwort mutiert ist.
Auch deswegen habe ich mich die längste Zeit damit öffentich zurückgehalten. Ist ja eigentlich auch wurst, was ich glaube, oder? Aktuell ist es ohnehin der unglücklichste Zeitpunkt, sich dazu offen zu bekennen. (Für die Leser aus der Zukunft: Wir haben 2022, das Jahr, in dem Esoteriker und Spirituelle häufig gleichsetzt werden mit Rechtsesoterikern, [Neo-]Hippies, Aluhutträgern, Schwurblern, Querdenkern und anderen ähnlich schmeichelhaften Begriffen. An Mystiker, Magier, Okkultisten, Wicca, Hexen, Magier, alte Weise, besonders Naturverbundene oder Schamanen denkt momentan kaum einer – und das, obwohl die viel besser ins gleiche Töpfchen passen würden.)
Womöglich ist aber genau deswegen JETZT der perfekte Zeitpunkt für ein spirituelles Outing. Um eine Lanze dafür zu brechen, dass und wie viele „ganz Normale“ so ticken. Von denen man das nie gedacht hätte. Mal abgesehen davon: Wer ist schon normal? Was ist überhaupt normal? Und: Will man das überhaupt sein? Schließen sich modernes Leben und Spiritualität gegenseitig aus?
Normal und unnormal hin oder her: Ich persönlich will diesen Anteil von mir nicht länger verstecken; er gehört zu mir. Ganz genauso wie meine Vorliebe für Wes Anderson, melancholischen Indie-Pop, Parfum, Katzen, Bücher, Editorial Design und vieles, vieles mehr. Zumindest eine der Frage sollte damit schon beantwortet sein.
Widmen wir uns also nun den anderen, naheliegenden Fragen: Was das Ganze nun summa summarum bedeutet.
Was mir ein spirituelles Outing bedeutet?
Sehr viel! Ich möchte einfach endlich wirklich authentisch sein. Es kostet so viel Energie, sich ständig damit zurückzuhalten, wer man wirklich ist.
Das heißt jetzt aber natürlich nicht, dass ich ständig darüber plappern will. Schon gar nicht mit Leuten, denen sowas schnurz- bis scheißegal ist. Ich möchte einfach offen dazu stehen – und, sofern es ergibt, auch darüber reden. Zumal ich blogge, möchte ich auch gerne mehr über moderne, gelebte Spiritualität schreiben. Hier. Denn die outgesourcten Kanäle (@lomiris und @spiritualboheme), die ich im Lauf des letzten Jahres angefangen habe, kosten zusätzlich viel Zeit und Energie. Und auch wenn sie mir Freude machen, sind sie wiederum nur weitere Horkruxe von mir. Ich bin nicht „nur dies“ und „nur das“, ich bin eine Designerin, die auch Human Design kennt. Unter so weiter.
Denn, klar: Das alles lässt sich mischen! Wenn es früher schon Physiker gab, die hochgradig spirituell waren, warum sollten es heute andere Leute in „normalen Berufen“ nicht auch sein?
Nikola Tesla
„Mein Gehirn ist nur ein Empfänger; im Universum gibt es einen Kern, von dem wir Wissen, Kraft und Inspiration erhalten. Ich bin nicht in die Geheimnisse dieses Kerns eingedrungen, aber ich weiss, dass er existiert.“
Was bedeutet das für den Blog?
Nix. Außer, dass es die neue Kategorie „Moderne Spiritualität“ gibt: Alte Artikel, die schon in diese Richtung gingen, wie etwa „Meditieren für Anfänger“ oder auch „Warum Nichtwissen das Klügste ist“ finden sich nun dort. Und natürlich wird es neue Inhalte zu diesem Thema geben!
Ihr habt in der Vergangenheit ja mitbekommen, welchen wilden Themenmix es hier gibt und in welcher nichtvorhandenen Regelmäßigkeit ich worüber schreibe. Es kann sein, dass in nächster Zeit im ersten Übermut ganz viele Eso-Artikel kommen. Oder auch nicht.
Ich möchte ab sofort einfach die Option haben, hier ganz offen auch über sowas schreiben zu können. Denn wir wir alle gemerkt haben, ist Auxkvisit mittlerweile mehr ein Miriam- als ein Augsburg-Blog. Und dazu gehört eben die Vielfalt! Laut Persönlichkeitsentwicklungs-Kategorie-Kistchen-Gedöns bin ich nämlich eine Scannerpersönlichkeit – und die neigen dazu, vielseitig interessiert zu sein und ihren Fokus häufiger zu wechseln als auf Panikmodus programmierte Lichterketten ihre Farben.
Ach, und wo wir schon dabei sind: Der ganze Bohei rund um die aktuell so angesagte „Persönlichkeitsentwicklung“ ist nichts anders als Esoterik! Wirklich aufgefallen sein wird das aber nur denjenigen, die sich damit schon ein paar Jahrezehnte beschäftigen.
Persönlichkeitsentwicklung = Esoterik.
Nimm das! Und gleich nochwas …
Jetzt kommt der eventuell schockierendste Part meines Outings: Ich ticke nicht erst seit gestern so. Und schon gar nicht, weil es seit einiger Zeit Trend ist. Wo wir schon beim Thema Zeit sind: Es ist auch nicht passiert, weil ich jetzt endlich in das passende Alter dafür gekommen bin – die klassische Eso-Tante ist ja so um die 40, alleinstehend und hat fünf Millionen Katzen. Von daher würde es JETZT ja fast perfekt passen.
Nee.
Spiritualität interessiert mich, seit ich 15 bin. Wenn nicht sogar schon immer. Die ganzen Bücher, Vorträge und Kurse ab Mitte der Neunziger haben mir nur bestätigt, was ich selbst immer „irgendwie gewusst“, aber wofür ich nie die passenden Worte hatte. Mit Worten ist es hier eh immer schwierig: Feinstoffliches ist nichts Deskriptives, es muss selbst erlebt und gefühlt werden, damit es Da-da-ding! macht. Es ist, so könnte man verallgemeinernd wohl sagen, vor allen Dingen eine Sache der Wahrnehmung.
Wie das Ganze passiert ist
Ich hatte also kein einschneidendes Erlebnis, ich war schon immer so. In der Schule hätte man mir den Katholizismus schmackhaft machen wollen, aber ich stocherte enttäuscht darin herum. Er war nicht wirklich meins. Gleichzeitig konnte ich den Glauben selbst auf gar keinen Fall ablegen: Ich glaubte ja durchaus an Gott oder etwas Unsichtbares, in jedem Fall etwas GROOOOSSES!
Als ich 1995 erfuhr, dass dieses GROSSE – und somit gleichzeitig alles – Energie ist, machte sich in mir tiefe Erleichterung breit: Das war es also, was ich immer gefühlt hatte! Und deswegen will ich, seitdem ich 15 bin, auch lernen, wie man die Energie verstehen und deuten kann. Denn nichts anderes tun die ganzen esoterischen Lehren, sei es nun Astrologie, Numerologie, Kabbalah, I Ging oder neuerdings Human Design: Sie formulieren energetische Charakteristika aus. Ob man die nun Archetypen, die 12 Sternzeichen oder mit Zahlen benennt, macht so viel Unterschied nicht. Denn die Energie, die sich hier in Menschenform (oder auch in tierischer, pflanzlicher etc.) zum Ausdruck bringt, hat natürlich unterschiedliche Ausdrucksweisen. Sonst könnte sie sich die ganze Inkarniererei ja sparen.
Es kann sooooo förderlich sein, diese Wirkweisen zu verstehen.
Weniger förderlich ist es aber, wenn man das mitten in seiner Pubertät macht.
Die Scham, die mit der Spiritualität einhergehen kann
Als Teenie wollte ich natürlich erstmal eins: cool sein – und dazugehören. Meditieren, Horoskope oder auch Träume fanden Gleichaltrige ziemlich doof. Es waren die 90er, ich lebte in einer oberbayerischen Kleinstadt. Keine amerikanische Kleinstadt wie in den damals so angesagten Filmen, in denen Teenie-Mädchen auf den Dachböden vorbildlicher Vorstadthäusern Seancen hielten.
Also trennte ich fein säuberlich: Spirituelles zusammen mit den mindestens doppelt so alten Frauen in den Eso-Kursen und Meditationsrunden. Und über Jungs, die Mathe-Ex und die neue tolle Levis–Werbung sprach ich eben weiterhin wie bislang mit meinen Freundinnen. Problem gelöst!
Mit einigen Jungs aus der Klasse wagte ich dann tatsächlich doch einmal ein Esoterik-Experiment in einer Freistunde. Danebener hätte es nicht gehen können; ich kann froh sein, dass sich keiner dabei etwas gebrochen hat und die Unbeteiligten nur dachten, wir spönnen einfach so herum. Mir persönlich war es unendlich peinlich, ich verlor nie wieder ein Wort darüber – ein spirituelles Outing wäre damals nieeeemals nie in Frage gekommen! – und war froh, als es kein Thema mehr war. Heute vermute ich sogar: Es war nie ein Thema.
Für mich war damals jedoch klar: Im Klassenverbund, im sozialen Kontext, in meiner Peergroup bestehen kann ich nur, wenn ich meine spirituelle Neigung komplett zurückhalte. Und weil diese Rechnung aufging, behielt ich mir diese Methode bei. Es war so einfach, so bequem. Wenn man sich nur lange genug selbst verleugnet, bemerkt man es irgendwann gar nicht mehr. Auch später fand ich nie den Zeitpunkt oder gar Grund für ein spirituelles Outing. Es wurde für mich normal, normal zu spielen. Problem ist nur: Freundschaften und Kontakte, die so zustande kamen, blieben meist immer oberflächlich – und ich auf gewisse Weise unnahbar. Wirkliche Intimität kommt so nie zustande. Ein verdammt hoher Preis dafür, nur weil man nicht als Freak gelten will!
Was bedeutet mein spirituelles Outing nun für dich?
Nix! Also, hoffe ich. Du kennst mich nun ein kleines-großes-bisschen mehr. Ob das dazu beiträgt, dass du mich jetzt weniger oder gar nicht mehr magst, liegt bei dir.
Was bedeutet das für die Zukunft hier?
„Moderne Spiritualität“ ist ab sofort ein Bestandteil dieses Blogs. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte es vermutlich sogar das Ende für Auxkvisit bedeutet. Nuuuur Stadtblog … ist mir längst zu wenig. Nuuuur Style und Schönes – erst recht!
Am meisten freuen würde es mich, wenn dieses Outing hier den ein oder anderen ermutigt, auch offen(er) für seine Spiritualität einzustehen. Denn bei dem Gedanken, dass sich andere in diesem Bereich zurückhalten aus purer Angst und Scham, wird mir wirklich schlecht. Ich weiß ja selbst, wie einen das unnötig limitieren und lähmen kann. Aber jetzt ist 2022, ich bin 41, an allen Ecken, Enden und Rundungen wird Diversität und Buntheit ausgerufen. Lasst uns jetzt ein bisschen feinstofflichen Glitzer dazupacken!
Die Zeit dafür ist reif.
Nicht nur, weil heute Neumond ist: Moderne, gelebte Spiritualität hat das Potenzial, Menschen wieder mehr mit der Erde, mit ihrem Ursprung verbinden – und untereinander erst recht. Wann könnte die Zeit passender für ein spirituelles Outing sein als JETZT?
Wer mehr dazu wissen will, dem kann ich dieses Video empfehlen: Vera F. Birkenbihl erklärt hier alles ganz pragmatisch und sogar ganz lustig! Macht dir einen groooßen Kaffee, der Vortrag geht 90 Minuten lang.