Neulich in der Straßenbahn schimpfte ein junger Kerl, Typ „Checker“, über die Leute auf dem Rathausplatz: „Jetzt sitzen die ganzen Hippies wieder auf dem Boden!“ Der wird sich aber freuen, wenn der Hippie-Stil diesen Sommer sein Comeback erlebt. Allen voran: Die Schlaghose, Flared Jeans. Eigentlich hätte sie schon 2014 wieder „in sein“ sollen, aber so richtig durchgesetzt hat sie sich im Augsburger Stadtbild bislang noch nicht so richtig.
Warum eigentlich nicht?
Ich habe meine Schlaghosen und Bootcut-Jeans nie weggepackt, weil ich finde, dass so ziemlich jede Hosenform ihre Existenzberechtigung hat. Abgesehen davon liebe ich sie einfach. Im Sommer sind das die besten Hosen überhaupt (warum, erfahrt Ihr am Schluss). Vielleicht finden einige den Look einfach nicht schön: zuu lässig, zu alternativ. Ich mag das ja. Abgesehen davon kann man Schlaghosen auch wunderbar elegant kombinieren, mit Seidenblusen zum Beispiel.
Eine Frage der Proportionen
Vielleicht haben einige, die jahrelang bzw. schon immer Röhren getragen haben „Angst“, dass ihre Silhouette dann zu breit wird. Tatsächlich vertragen sehr viele Figuren eine Schlaghose oder Bootcut besser als Skinny Jeans. Weil sie die Rundungen wieder aufgreifen, oder, wie Robert Schneider in seinem Roman „Die Luftgängerin“ so schön sagt, die „Gegenläufigkeit der Kurven von Taille und Hüfte“ darstellen. Sogar Victoria Beckham soll als ideale Jeans die Bootcut und nicht die Röhre genannt haben. Denn mal Butter bei die Fische: Wenn man einen breiten Hintern hat und die Hose komplett schmal und enganliegend ist – was sticht dann als breiteste Stelle sofort ins Auge? Eben! Grundsätzlich gilt: Man kann mit einer Schlaghose nicht mehr falsch machen als mit einer Röhre. Beziehungsweise genauso viel.
Die perfekte Schlaghose finden
Für „Anfänger“, die sich erst mal langsam an die weiten Hosen herantasten wollen, ist erst mal eine Schlaghose toll, die am Hintern und Oberschenkel wirklich schön schmal sitzt – genau so wie bei einer Röhre. Erst am Knie beginnt das Volumen. Die einen mögen erst mal Bootcuts lieber, bei denen der Saum weit genug ist, den Großteil des Schuhs zu überdecken; die anderen lieben einen Schlag, unter dem man mindestens einen Rehpinscher bis Kleinkind verstecken könnte. Am harmonischsten sieht es aus, wenn der Schlag nicht wie ein künstlich montiertes Dreieck am Knie hängt, sondern in einer natürlichen Kurve „in den Boden wächst“. Denn damit die Proportionen stimmen, sollte der Saum den Boden berühren.
Welcher Schuh dazu?
Das Blöde: So ein Schlag verkürzt optisch. Das Tolle: So ein Schlag bietet genügend Platz, sich unsichtbar mit Absatzschuhen größer zu schummeln. Abgesehen davon sind die meisten Schlaghosen ohnehin so lang (ich sag nur Mango!), dass Leute unter 175 cm schnell über den Saum stolpern könnten. Also her mit den hohen Hacken! Ob Chelsea-Boots mit Absatz, Blockabsatz-Pumps oder -Sandaletten oder oder … Der Schuh wird ohnehin unsichtbar. Trotzdem sollte er nicht zu hässlich sein, irgendwann setzt man sich ja doch mal hin. Zum Beispiel auf den Boden am Rathausplatz.
Obenrum
In Sachen Oberteile, Jacken und Mäntel passt alles, das man ohnehin schon im Kleiderschrank hat. Wer sagt, dass man nicht weit mit weit kombinieren darf? Bei längeren Teilen sollte man nur aufpassen, dass man noch eine schlanke Stelle vom Bein sieht, wenn man nicht nach Litfasssäule aussehen will. Und auch wenn ich persönlich kein Fan von in den Bund gesteckten Oberteilen bin: Bei diesen Hosen sieht das oftmals netter aus. Und wenn’s nur an einer kleinen Stelle ist. Am liebsten mag ich schmale, aber locker geschnittene Sachen dazu. Jacken/Blazer dürfen gerne auf Höhe des Bundes enden. Aber auch Parkas oder Trenchcoats gehen prima.
Was man vielleicht lieber lassen sollte, wenn man nicht nach 90er-Jahre-Tussi aussehen will: wirklich knatschenge, bauchfreie Oberteile. Am besten noch mit Glitzergürtel dazu. Ieks.
Gürtel oder nicht?
Diese Frage beantwortet sich einfach jeder selbst. Gut zu wissen: Unterbrechungen in der Horizontalen machen optisch wieder etwas kürzer und breiter. Wer den Oberkörper optisch strecken will, nimmt einen Gürtel in ähnlicher Farbe wie das Oberteil; wer die Beine noch länger zaubern will, wählt ihn entsprechend anders. Am schönsten finde ich schlichte, nicht zu schmale Ledergürtel. Die finde ich übrigens oft in der Männerabteilung. Zusätzliche Löcher sind schnell mit einer Lochzange gemacht.
Schlaghosen und das liebe Wetter
Ich trage meine Schlaghosen lieber im Sommer: Zum einen wischt man mit dem langen, weiten Saum natürlich den Boden. Also auch den Augsburger Asphalt. Bei Regenwetter hat man schnell zwei schwere Säcke an den Beinen hängen, und es gibt Angenehmeres, als wenn einem ständig etwas Nasskaltes an die Waden klatscht. Für den Herbst gelten denn doch andere „Mode-Regeln“.
Zum anderen kann durch das weite Hosenbein genügend bzw. überhaupt mal Luft zirkulieren, das heißt: Schlaghosen sind im Sommer trotz ihrer Länge wunderbar luftig! Außerdem kann man so einen Schlag schnell hochkrempeln, wenn man gemütlich in der Sonne sitzt. Wir Hippies machen das nämlich so.
Mein Fashion-Fazit
Da spricht doch einiges für eine neue Hose mit weitem Bein! Ich freue mich schon auf die Abwechslung im Stadtbild, das jahrelang von Röhren-mit-Ballerinas geprägt war. Auf die lässigen Silhouetten und das sanfte Patsch-Geräusch, wenn die Hosenbeine gegeneinander schlagen. Auf das Laissez-Faire, das leicht aufgeschubberte Säume ausstrahlen. Übrigens: Leichter ausziehen kann man sie auch, ganz ohne unsexy Verrenkung.
PS: Lust auf mehr Mode-Artikel von mehr Bloggern? Im alphabetischen Schreibprojekt „Kleider machen Leute von A–Z“ findet Ihr noch mehr rund um alle möglichen Lieblingsklamotten. Mein Augsburger Seitenscheitel-Artikel befindet sich dort auch.
Titelbild: Documerica auf Unsplash
Illustrationen: Miriam Lochner