Mit einer Methode können wir uns schwuppdiwupp besser fühlen. Ohne monate- oder gar jahrelanges Meditieren oder tiefenpsychologisches Analysieren. Wir müssen nicht mal wissen, warum es uns gerade gerade nicht so gut geht. Wir müssen dafür nicht fünf Papayas auf Ex essen oder 57 Minuten einen Kopfstand durchhalten. Hier zählt nur die Entscheidung, etwas ganz Bestimmtes zu machen – und es dann durchzuziehen. Das Beste: Es geht total spielerisch!
Wie geht „Fake it till you make it“?
Willst Du zum Beispiel gut gelaunt, selbstbewusst und stark sein? Dann tu einfach so, als wärst Du es jetzt schon. Egal, ob in der Tram beim Handy-Lesen, im Bett oder beim Duschen. Das Schöne ist: Es geht immer, überall – und vor allem sofort. Ausreden kannste an dieser Stelle knicken! Es zählt höchstens „Ich hab kein Bock auf diesen Quatsch.“ Diesen Kritikern empfehle ich dieses Video (Link zu YouTube).
Ich kann ein paar Tipps vom Schauspieltraining, das ich ein Jahr lang just for fun gemacht habe, ableiten. Die Methoden funktionieren, egal, ob man auf einer Workshop-Bühne oder daheim unter der Dusche steht.
Geh zu Beginn erst einmal körperlich in diese Situation hinein. Welche Körperhaltung hat ein gut gelaunter Mensch? Wie sitzt er, atmet er? Was macht er mit seinem Gesicht, wie schaut er drein? Was macht die Muskulatur in seinem Gesicht, presst er die Zähne aufeinander oder lächelt er? Dann schau, welches Gefühl hoch kommt. Vielleicht dauert es ein bisschen, wenn Du zu doll drauf wartest – aber es wird eines kommen. Das ist ein Aspekt aus dem Embodiment, dass erst etwas im Körper passieren muss, bevor die entsprechenden Gefühle entstehen können. Zusammengeknüllt mit nach vorne geneigten Schultern herumsitzen lässt garantiert keine Gewinner-Stimmung aufkommen.
Ist das alles zu schwierig, zu abstrakt? Dann denk an eine Person, die das für Dich verkörpert – vielleicht hast Du ohnehin ein Vorbild? Wenn das Pippi Langstrumpf ist, musst Du Dir jetzt nicht zwei Zöpfe flechten und einen Affen zulegen: Stell Dir Pippi vor, wie sie vor Dir steht. Und dann, wie Du aus Deinem Körper heraus- und in ihren hineingleitest, als wärst Du ein Dämon, der von ihr Besitz ergreift. (Gruselig, ne? Du kannst auch einfach an den Film „Face Off“ denken, wenn Dir das lieber ist.) Wie fühlt sich Dein Role-Model von innen an? Wie sieht die Welt aus ihren Augen aus, wie klingt sie in ihren Ohren? Spiel das mit all Deinen Sinnen durch.
Und natürlich: Wie würde Pippi jetzt reagieren, wenn ihr jemand Befehle erteilt, die sie dämlich findet? Vermutlich fällt es Dir mit Pippi in Dir einfacher, Dich jetzt entsprechend zu verhalten. Du solltest Dich dabei natürlich nur auf die inneren Aspekte (Verhalten, Körpergefühl) stürzen. Die Stimme nachahmen und das komplette Styling anpassen könnte doch etwas befremdlich auf Deine Mitmenschen wirken. Aber wenn Du Bock drauf hast …
Darum geht es:
Sicher ist „Fake it …“ keine Bewältigungsmethode für ernsthafte psychische Krankheiten. Aber manchmal möchten wir uns ohne großen Aufwand besser fühlen, Kleinigkeiten ändern oder hätten gerne einfache Methoden, um zum Beispiel unsere Vorsätze schneller zu verwirklichen. Dann ist Deine Frage nicht mehr: „Wie mache ich endlich mehr Sport?“ sondern „Wie würde sich ein sportlicher Mensch jetzt verhalten?“ Wie Du siehst, alleine schon dieser Perspektivenwechsel in der Fragenstellung fühlt sich ganz anders an: Aktiver. Selbstverantwortlicher. Jammern geht jetzt weniger, weil – shit! – man kann ja wirklich sofort was machen …
Das Tolle ist: Das Echte zieht dann nach! Mit dem „Faken“ öffnest Du Dich für Veränderung. Bekommst wirklich Lust auf sie. Irgendwann merkst Du dann gar nicht mehr, dass Du eine Rolle spielen musst, weil es gar keine mehr ist.
Vielleicht sollten wir das „Fake it …“ auch nicht so wörtlich nehmen, zumal es doch recht negativ besetzt ist. Wer will schon ein Fake sein? Sehen wir den Begriff doch als Inspirations-Schubbser, als Aufforderung, uns unsere Vorbilder genauer anzuschauen: Was macht sie so toll? Was genau hätten wir da auch gerne? Wer sagt, dass wir das nicht schon haben?
Und darum nicht:
Es geht nicht darum, besser zu werden. Du bist gut so, wie Du bist. Aber hast Du nicht auch manchmal dieses leise Gefühl: Da geht noch was? Nicht so sehr im Sinne der Selbstoptimierung, sondern weil Du neugierig drauf bist, welche Fähigkeiten ohnehin noch in Dir schlummern. Vielleicht findest Du heute Mathe total geil, obwohl Dir die ganze Gymnasialzeit Herr S. erklärt hat, Mädchen wären zu dumm für Mathematik. Hättest Du mit 14 gedacht, dass Du heute manchmal aus Spaß auf dem Klo Logarithmen berechnest? Bist Du Dir deswegen untreu geworden? Mit Sicherheit nicht.
Es geht nicht darum, jemanden zu imitieren. Vorbilder zu haben tut gut, weil wir damit uns selbst besser kennen lernen können: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Du bereits jetzt Persönlichkeitsmerkmale hast von dem Menschen, den Du bewunderst. Stündest Du nicht in irgendeiner Form mit ihm in Resonanz, wäre er Dir ja egal. Sieh Dein Vorbild nicht als Mahnmal für irgendwelche Makel an Dir – sondern ihn oder sie als Motivation.
Darum ist es so gut:
Bist Du konsequent genug, geht das So-Machen-Als-Ob irgendwann ins So-Sein über. Natürlich nicht von Montag auf Dienstag, zumindest nicht der in derselben Woche. Das Rollenspiel ist eher Dein Motivator, Dir überhaupt bewusst zu machen, wohin Du willst, und Dein kleiner Motor, das jetzt und sofort anzugehen.
Gleichzeitig macht es bedeutend weniger Angst oder Druck, wenn wir diese Veränderung bzw. das „Persönlichkeits-Training“ spielerisch angehen. Es weiß ja auch niemand, dass wir jetzt heimlich Pippi Langstrumpf spielen. Es kann also auch keiner merken, wenn wir es verbockt haben. Deswegen machen wir uns dann auch keinen Kopf, denn Pippi würde es ja auch nicht machen.
Ich mache das selbst immer wieder gerne phasenweise. Meistens vergesse ich ohnehin nach fünf Minuten, dass ich es machen wollte. Aber wenn da eine schwierige Situation akut ansteht, ob Date oder eine Präsentation, dann geht es mit der Starthilfe vom „als ob“ ganz schnell.
Müssen machen tut das natürlich niemand.
Natürlich ist es klasse, wenn man sich so liebt und nimmt, wie man ist. Aber manchmal kann man sich es da auch zu bequem machen und ausruhen. Wenn das zwölf Jahre lang so geht, zum Beispiel. Sagt dann jemand „So bin ich halt!“ und legt seine Hände zur Unterstreichung des Ausrufezeichens auf seine Wampe, dann frage ich mich: Warum? Wer hat das gesagt, wie wer ist oder gar sein muss? Sich ausprobieren und dazulernen hält uns lebendig. Wenn wir das als Kinder nicht ständig gemacht hätten, stünden wir heute nicht da, wo wir jetzt sind.
Ist das noch authentisch?
Jetzt könnte man natürlich aufschreien: „Buhuu, so ein Gefake ist doch total un-real, das ist komplett unauthentisch! Sei doch einfach du selbst!“ Aber – wie gesagt – wer sagt, wer wir überhaupt sind?
Wir ist nicht weniger authentisch, wenn wir mehr ausprobierten. Wir haben dann mehr Facetten. Und die sind doch echt mal interessanter als so eine glattpolierte Fläche. Die auch schön ist und ihre Berechtigung hat. Jedem Tierchen sein Pläsierchen! (Man kann sich als Vorbild sogar Tiere aussuchen: Spiel mal einen Löwen und berichte dann, wie Du Dich als solcher gefühlt hast!)
Und wer jetzt mosert, dass das viel zu einfach ist: Ja, und? Ist das nicht auch mal ganz gut?
„So tun als ob“ für Fortgeschrittene
Vermutlich wird Dir bald als Fräulein Langstrumpf langweilig. Such Dir dann die nächste Rolle: Ronja, Michel, oder doch Lady Gaga? Oder befindest Du Dich langsam auf dem Fake-It-Forgeschrittenen-Niveau.
Es wird umso spannender und eröffnet Dir mehr Möglichkeiten, je offener Du Deine „Rollen“ formulierst. Leg diese nicht mehr auf eine fixe Person fest, sondern erschaffe Charaktere rund um Deine Ziele.
Das könnte zum Beispiel sein:
- Jemand, der seine Mitte gefunden hat.
- Jemand, der das Leben liebt.
- Jemand, der „Carpe Diem“ den Mittelfinger zeigt, weil er jede Sekunde genießt.
Dann sagst Du Dir in möglichst vielen Situationen:
- Wie würde sich jetzt jemand verhalten, der seine Mitte bereits gefunden hat?
- Welche Körperhaltung würde diese Person jetzt genau in dieser Sekunde einnehmen?
- Wie würde sich der fühlen?
- Worüber würde er sich Gedanken machen?
- Wie würde er sich kleiden?
Das ein oder andere Detail willst Du dann vielleicht übernehmen – weil es sich stimmig mit dem anfühlt, was Du bist. Irgendwann verschwinden dann die Grenzen und Du brauchst die kleinen Motivations-Rollenspiel-Schubbser gar nicht mehr, weil Du die Eigenschaften schon verinnerlicht hast.
Titelbild: © Milada Vigerova auf Unsplash