Eines Tages leben wir in einer Welt, in der kein Weltfrauentag mehr gefeiert wird. Stattdessen feiern wir jeden Tag #Weltmenschentag. Die Zukunft ist nämlich nicht nur female, sie ist total human! Und das dafür brauchen die Menschen keinen extra Tag, sie LEBEN es einfach. Jeden Tag.
Gedanken, wie es auch laufen könnte, mit – für einige – sicher hochgradig utopischem Touch. ODER: Eben meine auxkvisite Sichtweise
20XX: Jeder darf sein, wie er ist. Jeder IST einfach, wie er ist. Alle haben erkannt, dass es unnötig ist zu diskutieren, wie eine Frau oder ein Mann zu sein hat, weil wir uns eingestehen, dass jeder richtig ist, ganz genau so, wie er ist.
Richtig und vor allem wichtig ist nun vor allem, die eigenen, ganz individuellen Stärken herauszufinden, sie zu leben, zu teilen und mit denen anderer zu verbinden. Lasst uns gemeinsam das schaffen, was alleine nicht geht! Und dazu gehört eben auch, dass sich das Weibliche mit dem Männlichen zusammentut.
Das Weibliche und Männliche – Archetypen, die jeder in sich trägt
Das Weibliche und das Männliche trägt jeder von uns als Archetypen in sich, egal ob Frau, Mann oder nichtbinär. Diese beiden Qualitäten, Prinzipien, Eigenschaften, um nicht zu sagen grundlegenden Energien nehmen sich in meiner Vorstellung von einer optimalen Welt an der Hand. Sie stehen auf Augenhöhe, auf der gleichen Ebene, in all ihrer natürlichen, wunderbaren Unterschiedlichkeit. Sie sind einzeln für sich schon stark – und ergänzen sich perfekt.
Zugegeben, das war bislang weitaus mehr Ideal als gelebte Realität – die Geschichte zeigt, wer die längste Zeit die Hand am Hebel hatte. Mit dem Männlichen als dominierende Kraft mündete es oftmal in Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Kampf. Alles Eigenschaften eher männlichen Charakters, wenn sie so schief gehen, wie sie nur überhaupt schief gehen können. Und nein, das heißt nicht, dass dies nur Männern passieren kann …
Denn es gibt das Weibliche und das Männliche – losgelöst vom Geschlecht – eben als grundsätzliche Prinzipien auf der Welt: Wie Tag und Nacht, Aktivität und Ruhe, Nord und Süd. Nichts davon ist „schlechter“ oder „besser“. Gäbe es das Weibliche nicht, existierte das Männliche nicht – wortwörtlich. Und umgekehrt.
Das eine braucht das andere, und keines braucht das andere mehr.
Sie sind wie die Enden einer Skala, auf der sich jeder einzelne frei hin- und herbewegen kann. Die Skala selbst ist wertfrei – was ist schon richtiger oder falscher, nur weil es ein bisschen weiter hier oder dort auf der Skala steht? (D)eine individuelle Beurteilung macht nicht, wie oder was etwas ist. Es ist, was es ist. (Einen Ausflug in die Welt von Yin und Yang gab es zuletzt in meinem Artikel über die Kibbe-Typen.)
Ein Mann kann also feminin(er) sein, ebenso wie eine Frau maskulin(er) sein kann. Deswegen ist ein Mann immer noch ein Mann und eine Frau eine Frau. Und – oh Schreck! – vielleicht ist die Person fünf Minuten später auf der Skala schon wieder ganz wo anders. Oder sie stuft sich selbst neutral in der Mitte der Skala ein. Aber eben auch, wer sich nicht als Mann oder Frau bezeichnet oder physisch nichts davon ist, trägt die dualen archetypischen Aspekte des Männlichen und Weiblichen in seiner Psyche, genauso wie das Innere Kind oder das Ego.
Ist es heute – am Weltfrauentag – nicht ein guter Zeitpunkt, mit dem „Kampf der Geschlechter“ aufzuhören?*
2021 haben wir uns viel zu lange im Prinzip des Männlichen verheddert: im blinden Aktionismus, im ständigen Streben nach Fortschritt, Erfolg und Effektivität. Das Weibliche, das sanfte, gefühlvolle, annehmende Prinzip wird seit Ewigkeiten als schwach und negativ konnotiert – in Form der Frau, und ganz besonders in Form der weiblichen Anteile im Mann. Man(n) hat der Menschheit und der Welt damit keinen Gefallen getan. Frau aber auch nicht, als sie versuchte, dagegen anzukämpfen, denn im Kampf steckt wiederum das männliche Prinzip. So kommen wir aus der Nummer nicht raus.
Zweifelsohne haben die Frauen viel damit erreicht. Und man muss ihnen dafür dankbar sein, wie viel sie damit uns heute möglich gemacht haben. Aber es ging letztlich zulasten der weiblichen Energie. „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“, sagte schon Einstein.
Es braucht nun, 2021, also erstmal einen gewissen Überschuss weiblicher Energie – etwa Mitgefühl, Verständnis und Sanftheit – damit der Kampf ein Ende hat. Wir haben alle auf der Skala zu lange auf der männlichen Seite verharrt. Gerade die westliche Gesellschaft hat die männlichen Eigenschaften viel zu lange über die weiblichen gestellt. Nicht nur die Männer haben geherrscht, sondern vor allem die männlichen Prinzipien.
Es geht nicht darum, für die Frau zu kämpfen,
es geht darum, nicht gegen das Weibliche zu kämpfen.*
Wir können nicht unsichtbar machen, was da ist; wir können aber wertschätzen, was da ist
Und ja, es ist absolut okay, das Männliche und Weibliche (Prinzip) derart dualistisch beim Namen zu nennen. Auf diese Nennung zu verzichten wäre, wie „hell“ und „dunkel“, wie „eckig“ und „rund“ nicht auszusprechen. Wie wollen wir uns artikulieren, orientieren, wenn es diese Begriffe, diese Eigenschaften nicht gibt? Diese beiden Pole können nicht eliminiert werden, ebenso wenig wie wir plötzlich jeden Schatten von der Welt verbannen könnten oder nie wieder lachen oder weinen. Es braucht immer beide Seiten – und dass wir sie als absolut gleichwertige anerkennen. Ganz einfach, weil sie es sind. Irgendein menschlicher Verstand – ich spekuliere, ein männlicher noch dazu – kam leider, leider irgendwann auf die bekloppte Idee, Begriffe wie „dunkel“, „sanft“ oder „passiv“ als etwas Schlechtes, Geringeres, Negatives dahinzustellen. Und eben auch sanft, mitfühlend, schwach, empfindsam, Annahme, Hingabe. Wie assoziierst du denn diese Worte?
Man kann nicht gleich machen, was unterschiedlich ist – höchstens mit der allergrößten Mühe, was wiederum unnötig Kraft nimmt, die man für andere Themen brauchen könnte. Ganz zu schweigen von der quietschlebendigen, sprühenden, überquellenden Lebendigkeit, die bei solchen Gleichmacherei-Versuchen auf der Strecke bleibt, wie man in den verhärteten Diskussionen in der Medienwelt oft sehen kann. Mit weit weniger Kraftaufwand, dafür aber mit Mitgefühl, Freundlichkeit und auch Nachsicht kann man die Unterschiede wahrnehmen, anerkennen, wertschätzen und lieben – ganz genau so, wie sie eben sind. Alles nun wiederum weibliche Eigenschaften …
Das ist die weibliche Perspektive, die es nun braucht. Wir müssen JETZT weiblich, female, nennt es wie auch immer sein, damit es zukünftig für alle phantastisch aussieht. Und, wer weiß, vielleicht ist dann alles sogar so großartig, dass wir solche Worte und einen wie #Weltfrauentag endlich nicht mehr brauchen.
Titelbild: Foto von Tiffany Nguyen auf Unsplash