Meine heutige Meinung mag aufregen – allemal tut sie es bei mir selbst: Ich bin dabei zu erkennen, dass ich meine Meinung öfter sein lassen muss. Diese Einsicht tut erst mal weh, gerade bei einer, die gerne als Erste ihre Klappe aufmacht. Nachträglich und mit etwas Abstand betrachtet, erkenne ich jedoch eines: Was Meinung meistens schafft, ist Zwist. Davon braucht diese Welt nicht noch mehr. Nicht auch noch in meinem eigenen privaten oder beruflichen Umfeld.
Nun könnte man behaupten, ein Mensch ohne eigene Meinung sei ein haltloses Würstchen. Ich glaube nicht! Und meine vorgeschlagene Lösung ist der Meinung gar nicht so fern – sie behält viele Aspekte der Meinung, geht darüber aber deutlich hinaus.
Schauen wir uns das Thema mal genauer an.
Zuerst einmal: Die Wortherkunft
Das DWDS definiert eine Meinung als „Ansicht, (ein) persönliches Urteil über etwas, jemanden, (ein) Standpunkt in Bezug auf etwas, jemanden“. Ich juble ein wenig, als ich das lese – zeigt es doch, dass ich mit meiner aktuellen Meinung – pardon, ich meine natürlich mit meinen aktuellen Gedankengängen“ gar nicht so falsch liege.
Ansichten hat ein Mensch automatisch; das liegt schon in der Natur des Seins: Aus deinen zwei Augen guckst nur du heraus. Wie du die Welt siehst, ist immer also deine ganz eigene (An-)Sicht. Die Frage ist nun eben, wie diese Sicht gefärbt ist, sozusagen: Welche Brille du aufhast. Diese Eben kann man auch grob als die Ego-Ebene bezeichnen – und auf der wird es schon schwieriger …
Vom Urteilen und Ver-Urteilen
In Sachen Urteil: Gegen eine klare Differenzierung innerhalb einer Betrachtung spricht nun wirklich nichts! Die Tat des Urteilens gerät erst dann in schmutziges Fahrtwasser, stellt man ihr das böse Silbchen ver- vor. Diese Vorsilbe verkehrt nämlich jedes Wort ins Gegenteil!
Die objektive Beurteilung einer Sache oder Situation ist zweifelsohne lebensnotwendig: Ich muss beispielsweise beurteilen können, ob die orangen Pünktchen in meinem Frischkäse schon Schimmel sind oder doch nur Spuren vom marmeladebeschmierten Messer. Derartige Urteile entscheiden über unser eigenes Wohl. Und das ganz objektiv und ohne jegliches persönlich betroffene #mimimi.
Die Verurteilung einer Sache oder Person rettet einem selbst zunächst auch den Arsch. Hier kommen nun aber andere Mechanismen im Spiel: Wir bewegen uns beim Ver-Urteilen auf der Ebene des Egos. Das heißt: Die Wahrnehmung wird deutlich subjektiver gefärbt und entspricht der objektiven Wahrheit höchstens bruchstückhaft. Wenn sich das Ego bedroht fühlt, teilt es aus wie ein besoffener Ninja mit verbundenen Augen. Die Reaktionen sind entsprechend gefährlich und verletzend. Warum das Ego das macht? Um sich selbst zu schützen bzw. seinen Menschen, auf den es sein Leben lang schon aufpasst. Insofern ist das Ego allein nicht böse; aber böse kann durchaus das sein, was passiert, wenn man das Ego alleine walten lässt.
✸✸✸ Metaphysische Randnotiz ✸✸✸
Was das Ego veranstaltet, kann nur so viel Bestand haben wie das Ego selbst.
Das Ego ist der Teil in uns, der beim Tod „… und tschüss!“ sagt: Denn dann hat es seinen Job erfüllt. Die weitaus höhere, feinere Instanz in uns, die weiterlebt, hat alleine schon Kraft ihres Ursprungs wahrhaft Substanz und Relevanz. Und: Im Gegensatz zu Aktionen aus dem Ego heraus, das trennt, haben Handlungen aus einem höheren Bewusstsein zufolge, dass sie Menschen verbinden – denn sie fußen auf einer höheren Frequenz.
Vertiefender Lesetipp: „Wenn das Ego schlecht mitspielt“
„Aber aber, man wird doch seine eigene Meinung sagen dürfen!“, denkst du nun vielleicht. Das finde ich ja auch! Was bringt es jegliche Intelligenz, würde ich mir alles verkneife, was ich denke? Forschen wir also ein wenig weiter …
Meine Meinung & die Meta-Ebene
Die Meinung steht laut DWDS auch für die Wertschätzung. Endlich etwas Gutes! Denn so verwenden wir dieses Wort ja auch: „Ich habe eine hohe Meinung von dir!“ Das kann aber schnell ins Gegenteil verkehren, wenn wir nur das Adjektiv ändern: Eine schlechte oder gar keine Meinung hast du ja sicher auch schnell mal.
Eine Meinung per se könnte also neutral sein – enthielte sie nicht das kleine Silbchen „mein“. für mein Dafürhalten sagt das schon alles aus: Ich meine etwas und gebe damit meine ureigenste Meinung weiter.
Meine Meinung, deine Deinung.
Ein Mensch, der seine Meinung äußert, kann in diesem Moment nur seine ureigene Ansicht offerieren. Das mag an sich total okay sein. Aber die wenigsten Menschen schaffen es, ihre Meinung objektiv zu formulieren – ist sie eben doch ein Resultat der eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse, die in der Regel nur durch die eigene Brille wahrgenommen wurden und werden.
Derart subjektiv gefärbt, ist eine reine Meinung oft sehr emotional gefärbt, um nicht zu sagen: geladen. Das haben wir in der „Diskussionskultur“ der letzten Jahre erlebt. Sukzessive sprachen keine klugen Leute mehr wie ein Helmut oder Harald Schmidt, die klar differenziert betrachten kann; nein. Die eigene Meinung schwebt nun über allem, Hand in Hand mit der eigenen Befindlichkeit, die auf keinen Fall angegriffen werden darf. Ein anderer Trend dieser Tage – dazu vielleicht ein andermal mehr.
Was willst du ausdrücken?
Nun wäre ich die Letzte, die jemandem seine Meinung verbietet! Freier Ausdruck ist mir wichtig. Kein Mensch soll sich unnötig zurückhalten. Aber vielleicht wäre es durchaus öfter nötig, sich zu fragen, ob und wann ein reines Herausblöken der eigenen Meinung nun wirklich wichtig und richtig ist.
Ich erlebe in der letzten Zeit immer häufiger, welche Konsequenzen meine vermeintliche Meinungsäußerung nach sich ziehen können. Es war leider häufig eine Schlechte. Denn die Meinung, die ich von mir gab, war nicht gerade immer etwas, das einen gesunden Dialog nach sich gezogen hätte. Es endete im Streit oder zumindest in einer Stimmung, in der ein Streichholz entzündet würde, atmete nur einer der Anwesenden aus. Nun muss man Streit gewiss nicht immer präventiv aus dem Weg gehen, sollte sich aber bewusst sein, ob man ihn haben will oder nicht. Ob er berechtigt ist oder nicht.
Um was geht mir dabei wirklich?
was man sich vor jeder meinungsäußerung überlegen könnte
Wenn ich meine Meinung nicht einfach so herausplärre, sondern kurz überlege, was ich wirklich sagen will, sieht es womöglich ganz anders aus. Vielleicht ist es ein: „Puh, das hat mich ganz schön verletzt und wehgetan. Damit fühle ich mich gar nicht gut.“ Das klingt schon deutlich anders, als wenn ich kontere mit: „Nein!! Das ist so und so und überhaupt …“
Von der puren Meinung zur etwas viel Größerem
Dieses kurze In-Sich-Gehen, bevor man seine Meinung wild herausblökt, hat einen wunderbaren Vorteil: Sie klärt die Intention, mit der wir die Äußerung tätigen.
Jede Intention ist immer auch eine Initialisierung: Wie du in etwas hineingehst, wirkt sich auf alles Weitere aus. Ich könnte wieder metaphysisch mit „Energie und so“ ankommen, aber man sieht es auch schon am Impuls in der Physik: Schubst du eine Kugel mit ordentlich Schmackes an, dotzt sie wo anders energischer an, als wenn du sie nur sanft anstößt. Deswegen solltest du dir bestenfalls immer, immer, immer deiner Intention bewusst sein.
☞ Intention first!
Nimm die Kraft des Impulses mit und geh in eine neue Situation bewusst hinein:
Warum machst du, was du machen willst? Wie gehst du an die Sache ran? Halte inne. Formuliere es in einem Satz und denke ihn oder sprich ihn gar aus, bevor du loslegst.
Du wirst merken, wie sich dieser erste Impuls wie in der Physik auch durch dein nächstes Gespräch zieht. Selbes gilt auch für jede andere Situation oder Projekte.
Zu bemerken auch an Redewendungen wie: „Ist der Wurm erst einmal drin …“
In einem Gespräch, das meinungsbefreit ist, kann man übrigens immer noch ausführlich erklären, wie man zu einer Sache steht. Und das sogar besser! Denn das Gespräch ist nun weniger subjektiv aufgeladen. Nun hat man die Möglichkeit, sich endlich wieder auf einer sachlichen Ebene zu nähern. Ich spreche aus Erfahrung …
Wie ego-istisch ist meine Meinung?
Ich habe selbst immer gerne meine Meinung kundgetan. Als Kind formulierte ich das, was ich wollte, klar und deutlich. Als Teenie wurde ich spürbar zurückhaltender. Nachdem ich die Pubertät überlebt hatte, meldete sich das Selbstbewusstsein wieder zurück – und das mit ordentlich Karacho! Zum Glück drängte ich meine Meinung nie jemandem ungefragt auf, so viel Anstand hatte ich dann doch; aber ich hielt mich selten damit zurück.
Für mich gehörte „seine Meinung jederzeit und am besten als Erste sagen“ zum Image der selbstbewussten jungen Frau, die ich sein wollte. Und wenn ich mir mein Horoskop so angucke, sind da einige Aspekte, die darauf hinweisen, dass das auch zu meinem inhärentes Naturell gehört. Nichtsdestotrotz: Heute, ein klein wenig reifer, frage ich mich, ob es wirklich immer nötig war, meine Meinung so deutlich kundzutun. War es nicht oft auch Kompensation? Ist „seine Meinung sagen“ womöglich ein Anzeichen dafür, dass man meint, man würde sonst nicht gesehen? Und das Gute ist ja auch: Wenn man bei jedem – pardon – Scheiß seine Meinung sagt, fällt es nicht auf, wenn man sich aus Angst dann doch mal zurückhält …
Zumal ich über ein feines Unterscheidungsvermögen verfüge, ist mein Urteil in der Regel schnell gefällt. Im Beurteilen bin ich schnell, im Verurteilen übe ich mich so gut es geht mit Zurückhaltung. Auch meine Meinung versuche ich zu differenzieren: Ist sie nur Ausdruck meines grün- und blaugefleckten Selbstwertgefühls, das meint, es müsse austeilen? Oder geht es wirklich um etwas Substantielles? Gar um Essentielles? Mit diesen Fragen öffne ich den Raum für etwas Größeres. Jetzt geht es nicht nur um mich! Dieses größere Ding ist nun wieder so ein „-ung“, aber keine Sorge, diesmal wird es goethemäßig etwas Schönes, Wahres und Gutes: Es ist die Haltung.
Von der Meinung zur Haltung
In der Haltung steckt so viel mehr als in der Meinung! Mit unseren Werten, auf denen die eigene Haltung basiert, bewegen wir uns endlich wieder auf die Meta-Ebene und damit über uns hinaus. Hier wird die „Meinung“ objektiver.
Innere Werte mögen aufgrund ihrer Abstraktion weniger greifbar sein als das Schwert der eigenen Meinung, aber das ist auch der immense Vorteil: Werte können nicht verletzen. Ein Wert dient immer der Gesamtheit. Darum ist es auch weniger wild, wenn werte-basiert diskutiert wird: Auch wenn zwei Menschen unterschiedliche Werte haben, sollten sie im Rahmen ihrer Diskussion vergleichsweise friedlicher auseinandergehen können. Über Werte kann man nicht diskutieren, man muss sie dem anderen lassen. Bei einer abweichenden Meinung hingegen bildet man sich schnell ein, diese und damit gar den Anderen selbst ändern zu wollen. Superdupermega Geheimtipp am Rande: Der Mensch ≠ seine Meinung.
☞ Deine Werte herausfinden
Welche Werte bestimmen deine Haltung?
Was ist dir wichtig und warum?
Was willst du bewahren, weil es dir elementar wichtig ist?
Im Werte-Test des beliebten Kalenders „Guter Plan“ kannst du es schnell herausfinden.
{ Namensnennung/Verlinkung unbezahlt und nur im redaktionellen Sinne }
Fazit
Ein Mensch braucht in jedem Fall seine Werte, um sich im Leben zu orientieren. Ohne diese würde er orientierungslos herumeiern, während er mit einem festen Wertsystem umso mehr Halt hat – und entsprechend mehr Haltung. Diese kann, darf und sollte man kommunizieren, wann immer es nötig ist. Denn dieses Basis ist unendlich wertvoll, zumal sie sich von höheren Werten ableitet. Wenn jemand also deine Werte mit Füßen tritt, gilt es durchaus: Mund aufmachen! Aus der Ebene deiner Haltung heraus fällt deine Handlung objektiv aus, weil es hier um Höheres geht und nicht nur um dich und dein Befinden. Der Agitator ist über sich selbst hinaus bestrebt, und seine Aussage dient einem größeren Ganzen. So eine Aussage fußt somit auf der energetischen Frequenz der Liebe.
Die eigene Meinung hingegen ist da schon deutlich kleiner, drückt sie doch nur aus, wie man zu einer bestimmten Sache oder Person steht. Sie ist überwiegend an deinem eigenen Filtersystem orientiert, wie du die Welt wahrnimmst. Dieses Filtersystem ist ein Produkt vom menschlichen Ego: Einem Teil, der meistens ziemlich verletzt ist und deswegen entsprechend verletzend reagiert. Hier gilt es: Überlegen, bevor man den Mund aufmacht. Ist es der Sache förderlich, wenn du jetzt loslegst? Oder dient es nur dazu, dich für einen kurzen Moment zu erleichtern? Reaktionen aus der Ego-Ebene heraus wirken kurzfristig, haben aber leider das Potenzial, langfristig die Beziehungsebene zu stören. Der Agitator ist hier allein auf sich selbst bedacht: Die Aussage dient dem reinen Selbstschutz. Ihre energetische Frequenz ist damit Angst.
Wofür entscheidest du dich?
Und vor allem: Was meinst du jetzt zu dem allen? Lass mir gern deinen Kommentar dazu da!
Schlussgedanken
Es gäbe unendlich viel mehr zum Thema Meinung/Haltung zu sagen. Ich habe mich hier erst einmal in Wortklauberei und esoterische Funfacts wie Frequenzen und Ego verloren. Das Ganze müsste natürlich wesentlich feiner und weitläufiger durchdacht werden, aber dann würde das den Rahmen eines Blogartikels sprengen. Spannende Themen on top wären: Meinungsfreiheit und Meinungsmache. Gut möglich, dass ich mir dazu hier auch mal ein paar getippselte Gedanken mache! Was meinste?
Titelbild: © Jason Rosewell / Unsplash
2 Kommentare
Interessantes Thema. Mich beschäftigt es auch schon ne Weile. Auch im Bezug auf ‚ dem anderen wirklich zuhören‘ . Das Gegenteil also. Das das beides gar nicht so einfach ist. Bitte weiter so 🙂
Da sagst du was, Andrea! Richtig zuhören können die wenigsten, das kenne ich von mir ja leider auch 🙈
Sobald im Kopf der „Oh, was kann ich da jetzt gleich dazusenfen“-Motor anspringt, ist die Chance da schon vertan. Und aus dem Moment haut es einen zudem auch noch raus. Ich habe vor Kurzem auch erfahren, dass man sich lieber auf das linke Auge seines Gegenübers konzentrieren soll, damit man besser mit seiner Seele verbunden ist. Vielleicht hilft das ja auch, um aus dem Verstand-Geschnatter rauszukommen 🙂
Liebe Grüße
Miriam