Hochoffiziell haben wir noch Sommer, der Herbst beginnt erst am 23. September. Aber spätestens an dem zweiten kälteren Tag letzte Woche hörte ich immer mehr Gemeckere, dass es viel zu kalt und der Sommer nun vorbei sei. Selbst meckerte ich (noch) nicht, sondern hülle mich in mehr Lagen und bibbere einfach ein bisschen. Denn ich freue mich: Wir haben wieder Herbst! Klamottentechnisch die beste Zeit überhaupt Hört man es raus? Ich liiiiiebe die Herbstmode!
Nur im Herbst können wir alles tragen!
Während es im Sommer darum ging, das möglichst Wenige zu finden, mit dem wir uns noch in die Arbeit trauen konnten, werden wir schon bald das Meiste suchen, in dem wir am wenigsten frieren. Jetzt, nur jetzt können wir alles, alles, alles tragen, einfach weil wir es schön finden – ohne dass es unter dem Mantel komplett verschwindet. Zudem liebe ich die Materialien der klassischen Herbstmode ganz besonders: Denim, Wolle (Merino und Kaschmir kratzen wirklich nicht!), Twill, Tweed, Leder und Cord. Die Farben werden wieder matter, gedämpfter und damit auch wertiger; urige Muster wie Karos und schöne Navajo- und Aztekenmuster tauchen wieder auf und lassen uns auf Daheim-Einkuscheln freuen. Dieses Jahr kommt in der Herbstmode auch Fake Fur groß raus. Wer schon immer das Bedürfnis hatte, in einem Flokati, Yeti oder Bibo gehüllt durch die Stadt zu laufen, kommt dieses Jahr definitiv auf seine Kosten.
Ganz raffiniert wird es natürlich, wenn man dazu ein paar zarte Stoffe schmuggelt: Warum nicht irgendwo ne zarte Bluse dazwischen packen?
Angeblich wirken solche unerwarteten Kombinationen unerwartet erotisierend auf Männer.
Umgekehrt funktioniert das leider nicht so. Ich bin jedenfalls ganz froh, wenn ich jetzt nur noch beim Sport Achselshirts sehen muss.
Boots
Fangen wir ganz unten an: Dass Chucks leider keine Winterschuhe sind, merken wir, wenn wir das erste mal mit nassen Socken herumlaufen und uns einen Schnupfen einfangen. Macht aber nix, dann ziehen wir eben Boots an: Chelseaboots, Bikerboots, Ankleboots, Cowboyboots, welche zum Schnüren, welche zum Reinschlüpfen, mit Absatz, ohne, in allen möglichen Farben, mit Schnallen oder ohne, aus Glatt- oder Wildleder … Vor allem zu letzterem ist der Herbst noch gnädig. Imprägnieren muss bei dem zarten Leder natürlich trotzdem sein!
Ich gebe flachen oder oder welchen mit Blockabsatz den Vorzug: Damit kann man besser über Auxburgs Kopfsteinpflaster stiefeln und bricht sich nicht die Knöchel, sollte es einen überkommen und man in den nächsten Laubhaufen hüpfen wollen, einem ein feuchtnasses Blatt den Boden unterm Fuß wegziehen oder die Tram fast vor der Nase wegfahren. (Ab 14.9. fahren sie endlich wieder normal!)
Natürlich gibt es auch Pumps und so. Die man jetzt mit Socken trägt. Da ich lieber über Sachen schreibe, die ich schön finde, sage ich dazu lieber nicht mehr.
Ich liebe ganz besonders die Schuhe, die aussehen, als hätte man sie Räuber Hotzenplotz geklaut. Die passen nicht nur zur schwarzen Gehtimmerundüberall-Röhre, sondern auch zu kurzen Sachen. Vorausgesetzt natürlich, die Beine sind in etwas Warmes gehüllt.
Strümpfe
Shorts, Minis und kurze Kleidchen funktionieren weiterhin als Herbstmode – wir ziehen einfach eine Strumpfhose dazu an! Das sieht oft sogar noch netter aus als zu puren nackten Beinen und ist definitiv weniger pornös, vor allem zu flachen Schuhen.
Ich behaupte sogar ganz dreist, die meisten Beine sehen in blickdichten (schwarzen) Strümpfen am schönsten aus, weil es dann eben nur noch um die Form und Länge geht und keine Blessuren oder Abnutzungserscheinungen davon ablenken. Falke Cotton Touch tun beim Kaufen weh, halten aber ewig, sind wirklich, wirklich matt und haben für meinen Begriff das schönste Maschenbild.
Stulpen
Ich höre schon das Geschrei: „Hässlich! Sehen doof aus!“ Ich weiß. Ich mag sie trotzdem. In der Übergangszeit – und auch im Winter – können wir mit Stulpen (ich meine damit vor allem die richtig langen Dinger) ganz schnell Knöchel, Wade, Knie und/oder Oberschenkel wärmen. Kurze, feste machen schwuppdiwupp aus knöchelniedrigen Schuhe Herbstboots. Ist es denn doch zu warm dafür – einfach ausziehen! Die Stulpen-Hasserinnen frieren oder schwitzen währenddessen und nehmen lieber eine Blasenentzündung in Kauf oder gehören zu den beneidenswerten Wesen, die noch nie im Leben eine hatten. Ein guter Nebeneffekt, den natürlich niemand braucht: Alles, was am Bein besonders dick ist, lässt das Bein selbst etwas schlanker aussehen. Das ist wie mit zu einem übergroßen Übertopf, in dem ein Pflänzchen bemitleidenswert aussieht.
Übergangsjacke
Jetzt geht alles: Trenchcoat, Parka, Lederjacke, Jeansjacke, dünne Wolljacken – einreihig, zweireihig, Sachen mit Kaputze, Sachen ohne, Capes, Blazer und dünne Mäntel. Letztere jetzt gerne aus dickeren, gemütlicheren Wollstoffen. Muss nicht nach englischem Landlord aussehen, ein Beagle als Accessoire ist an dieser Stelle eventuell zu vermeiden, zumal man Tiere generell nicht als Mode-Anhängsel betrachten sollte. Ich hoffe, dass diese Info jetzt endlich mal bei allen ankommt, auch bei den Rehpinscher-Ladies. Blousons sind ja auch gerade irre in, wer das mal testen mag.
Was diese Teile alle ruckzuck machen? Sie lassen einen angezogener und einen Hauch seriöser aussehen (wenn es nicht gerade die überaus praktische Northface-Wolfskin-Softshell-Tralala-Jacke ist, die lässt einen eher überaus praktisch aussehen). So schick angezogen, vergessen wir alle ganz plötzlich all die Maurer-Decolletées, die wir im Sommer gesehen haben. Bis zum Frühling wenigstens.
Schals
Böse Menschen empfehlen mir, eine Halsbekleidungs-Boutique eröffnen. Tatsächlich springt mir ein textiler Zoo entgegen, öffne ich eine ganz bestimmte Schublade. Die meisten hängen an der Garderobe. Ist auch gut so, weil man dann nicht sieht, wie viele Übergangsjacken ich besitze.
Schals und Tücher sind deswegen so genial, weil sie mit nur einem Handgriff den ganzen Look verändern. Habe ich einen morgendlichen „Heute taugt mir überhaupt nichts!“-Anfall, reicht es oft, mir einfach ein anderes Ding um den Hals zu schlingen, anstatt mich nochmal komplett umzuziehen. Zudem sind das so ziemlich die einzigen Teile, an denen ich farbige Farben oder Muster an mir akzeptiere.
Ein Schal geht einfach immer und lädt relativ verlustfrei dazu ein, mal eine neue Farbe oder Muster zu tragen, die man sich akut in den Kopf gesetzt hat. Abgesehen davon wärmen sie natürlich wunderbarst, weil man da der Puls so nah an der Hautoberfläche ist und was bei Coolaux schon gewirkt hat, funktioniert natürlich auch anders herum: Halten wir die bepulsten Stellen warm, ist uns insgesamt wärmer. Anscheinend haben dafür die Herren nicht so ein Gespür: Die meinen dann immer gleich, man habe Halsweh, nur weil man eine Decke auf seinen Schultern spazieren trägt und noch ein bisschen Nase und Augen rausgucken. Nein, wir machen nur das der Kuscheligkeit wegen. Zudem rettet man so ein bisschen was vom Sonntag oder der Bettdecke in den Büroalltag rüber.
Und: Man kann einen Schal/Tuch in sooooo vielen Variationen tragen!
Die Trendfarben jetzt so?
Angeblich schlägt bei der Herbstmode jetzt Marsala wirklich ein, das Weinrot, das Pantone längst zur Trendfarbe ernannte, die jetzt zum Herbst tatsächlich auch mal passen würde.
Wunderschön senffarbene Sachen hängen in den Klamottenläden. Ich schmachte und staune, wie man das tragen kann, ohne darin wie ausgekotzt auszusehen. Herbst-Typen sind hier von Vorteil! Also die, denen warme, gedämpfte Farben am besten stehen. Ich bin mehr Typ Sommer.
Einen Trick dagegen muss ich mal testen, und dank meiner enormen Schal-Sammlung wird das ganz leicht gehen: Angeblich kann man auch Kackfarben tragen und dabei gut aussehen, wenn man nur in unmittelbarer Gesichtsnähe eine Farbe trägt, die einem steht.
Ansonsten ist da unfassbar viel Schwarzweiß und Jeans(-blau) von Kopf bis Fuß. Find ich gut.
Die Herbstmode in Auxburg
Was definitiv jetzt schon mit Vorliebe getragen wird: Ponchos. Statt Jacken. Ich staune, weil ich die Dinger nur dafür besitze, drinnen nicht zu erfrieren und schon Probleme habe, damit so zu sitzen, dass gleichzeitig keine kalte Luft reinkommt, meine Arme aber noch irgendwie zur Tastatur rauskommen. Ich befürchte schon die Schlagzeile in der Augsburger Allgemeinen: „Frau in Poncho hat sich erdrosselt/den Arm ausgerissen beim Versuch, ihre Wildlederfransentasche um ihre Schulter zu schlingen.“
Ansonsten warte ich gespannt, was in Sachen Herbstmode noch so kommt, und werde ehrlich versuchen, mir das Grinsen über nassgeregnete Yetis und Bibos zu verkneifen, die sich in ihren besöckchenten Sommersandälchen den Knöchel verknackst haben.
Titelbild: Foto von Daiga Ellaby / Unsplash
Illustrationen: Miriam Lochner