„Jetzt wird Instagram zurückgefickt!“ Anders kann ich meine aktuelle Aktion leider nicht beschreiben. (Achtung: Dieser Text könnte Spuren von Kraftausdrücken beinhalten.) Wer mir auf Insta folgt, ist längst im Bilde – beziehungsweise eben nicht mehr. Denn: Von einem Tag auf den anderen waren all meine Bilder weg. Gelöscht. Von mir. Jetzt sieht man nur eins. Und zwar wirklich immer nur eines: Lade ich ein neues Bild hoch, wird das alte sofort gelöscht. Whoop whoop! Das Ganze ist ziemlich Banane, und ich nenne diesen Irrsinn singlepostaccount. Wer sich gefragt hat, was das soll und warum es passiert ist, erfährt es hier.
Die Zeiten ändern mich
(dich auch?)
Wie viel Zeit habe ich in den letzten Jahren in Insta hineingepulvert! Im Lauf der letzten acht Jahre kamen entsprechend viele Bilder zusammen. Auf meinem Account @auxkvisit zeigte ich so manches aus meinem Leben. Und nun ist alles futsch. „Ein Fotoalbum wirft man doch nicht so einfach weg!!!11!! All die Erinnerungen! Wie kann man nur!?“
Weil Instagram eben kein Fotoalbum ist. Früher™ war mir das relativ egal, ich ging lässig mit meiner digitalen Sichtbarkeit um und redete mir ein, immer selbst zu bestimmen, was und wie viel ich von mir preisgab. War aber selbst das schon nachlässig?
Denn Zeiten ändern sich – und dich und mich. Und den Algoshitmus ganz besonders: So, wie KI jetzt Fahrt aufnimmt und exponentiell explodiert, behagt mir ein so halboffen zur Schau gestelltes Leben immer weniger. Man könnte nun argumentieren, dass das Internet nichts vergisst und es egal ist, ob ich meine Fotos jetzt gelöscht habe oder nicht. Natürlich. Aber dennoch obliegt es mir nach wie vor, Verantwortung für mich selbst und mein Verhalten zu übernehmen. Das Wichtigste hierbei ist, dass man es tut – der Zeitpunkt ist dann egal.
Antizyklisches Handeln à la Auxkvisit!
2023: Während viele begeistert „Digi-tali-siiiierung!!“ brüllen, mit Bots chatten und sich am liebsten mit ihnen paaren würden, steht es mir bis zum Haaransatz. Womöglich, weil ich 1995 eine der ersten war – zumindest für oberbayerische Kleinstadt-Verhältnisse –, die online ging.
Damals war ich also der Nerd, der als Erster ins Internet abtauchte. Und heute der, der mit Schnappatmung wieder auftaucht.
Ich bin also 28 Jahre im digitalen Zirkus mit dabei. Länger als ein Millenial! Diese Generation der Digital Natives mag zwar bereits an der Mutterbrust nuckelnd YouTube geguckt haben, kann aber heute erst Anfang 20 sein. Ein paar Jährchen habt Ihr Lieben also noch Zeit, bis Ihr eventuell auch übersättigt seid! 💩🤮 Oder ist Dauer-Online-Sein für Euch wirklich total normal?
Nach knapp dreißig Jahren ist es wohl nachvollziehbar, wenn ich nun sage:
„Es reicht.“
Ständig online abzuhängen und auch noch in der Freizeit in einen Screen zu starren, langweilt mich mittlerweile einfach nur noch. Ich möchte meine Zeit anders, um nicht zu sagen sinnvoller, nutzen. Diese Einstellung wird mir nun manchmal ausgelegt, als würde ich mich damit über andere erheben wollen. Nein, ich habe mich nur rausgehoben. Ich maße mir kein Urteil über digitale Junkies an, denn ich war ja selbst die längste Zeit einer. Bin es auch manchmal jetzt noch, wenn ich nicht aufpasse …
Meine Sucht für Twitter etwa war so schlimm, dass ich mir nicht anders zu helfen wusste, als den Accounts komplett zu löschen. Was schwierig genug war, da man bis zur kompletten Deaktivierung einen Monat abwarten muss – damit man zurückkommen kann, falls man es sich anders überlegt. 🙃
„Du kommst hier nicht so einfach raus!“
irgendeine social-media-plattform, immer, sobald man sein profil vollständig löschen will
Für einen Moment habe ich überlegt, das auch mit Instagram zu machen. Aber dann kam mir kurz vorm Einschlafen eine Idee – und ich saß wenige Sekunden danach hellwach im Bett. Knapp eine Stunde lang löschte Bild um Bild aus meinem Feed. Am nächsten Tag wachte ich auf und bereute es kein bisschen, als mir einfiel, was ich am Vorabend gemacht hatte. Ich grinste breit und dachte mir nur:
„Instagram: Nun ficke ich dich zurück!“
# singlepostaccount
Auf meinem Singlepostaccount sieht man also immer nur (!) ein (!!) Bild. Das sieht erstens ziemlich doof aus und und macht zweitens überhaupt keinen Sinn: Insta ist doch soooo ästhetisch und auf Masse angelegt. Mit nur einem Bild geht es unmöglich, Klicks und Likes zu provozieren. Die Intention ist weg, Reaktionen alter und potenziell neuer Follower sinnlos. Leute, die meinen Singlepostaccount zum ersten Mal sehen, bekommen kaum einen Anreiz, warum sie mir folgen sollten. Tun es irrwitzigerweise doch, ebenso wie weiterhin kommentiert wird.
Ist das dieses Loslassen, von dem immer alle Spirituellen reden?
Natürlich hätte ich den Account einfach komplett löschen können, aber ich mache mir gerade einen Spaß daraus, das System auf diese Weise ad absurdum zu führen. Keine Chance mehr für großartige Selbstdarstellung; keine Chance mehr für ewige Vergleiche. Und ich kann weiterhin mit den Leuten kommunizieren, mit denen ich nur über Instagram in Kontakt bin. Instagram ist nur noch ein Tool, das ich nutze, anstatt dass ich mich von ihr benutzen lasse. Ja, diese Aussage ist sicher naiv und optimistisch und irgendwo lacht sich jetzt eine KI ins nicht vorhandene eiskalte Fäustchen …
Auf jeden Fall wäre es nun ein Leichtes, den Account komplett zu löschen – einfach, weil nicht mehr so viel drinsteckt.
Was kann so ein Singlepostaccount bewirken?
Egal, wie es auf meinem Insta-Account nun weitergeht: Mich hat diese Aktion bereits befreit: Der Druck ist weg. Alleine schon dafür sage ich für mich, dieser Schritt war es wert!
Wenn ich Glück habe, stößt mein Singlepostaccount bei anderen etwas an: Rein faktisch kann nun niemand mehr seine wertvolle Zeit damit verplempern, meine Posts durchzustöbern. Wertvolle Lebenszeit gespart! 🥳 Bestenfalls fragt sich der Besucher, was das Ganze soll, und kann für sich selbst das Gedanken-Experiment durchspielen, wie er sich damit fühlen würde, ahmte er es nach.
„Leben ist, was passiert, während du Pläne machst“, sagte John Lennon. Ich möchte hinzufügen:
Leben ist, was passiert, wenn du kein Photo machst.
professionelle photographen fühlen sich jetzt bitte nicht angesprochen!
Ich bin schon gespannt, ob diese Aktion jemals Nachahmer findet. Um seinen kompletten Insta-Feed zu löschen, muss man an einen gewissen Punkt kommen, der mehr als bitter schmeckt. Übersättigung, Sucht, Abhängigkeit erkennen, annehmen und auflösen – das macht keinen Spaß und geht nur mit ganz viel Kraft und/oder wenn man komplett loslässt. Das eigene Ego mag so etwas überhaupt nicht und stellt sich deswegen breibeinig vor die Idee. Wo bekommt es dann schon noch seine Streicheleinheiten dann her? Spoiler: Es gibt sie! Auch und vor allem analog.
Wenn dich Instagram in seiner pervertierten Form ebenso annervt, mach gerne mit und starte deinen eigenen Singlepostaccount!
2 Kommentare
Ich finde die Idee einfach super! Mal schauen, in wie weit ich das irgendwann umsetze…… es ist schon mal im Kopf 🙂
Wie man sieht, hab’s ich ja wieder beendet – aber mein neues Konzept dockt daran an: Wenig und gezielter Content, Insta als Tool nutzen.
Meine „Sucht“ (?) hab ich überwunden. Insta bekommt von mir nicht mehr Lebenszeit als unbedingt notwendig 🥳
Du nutzt deinen Account ja eher als ein schönes Portfolio, da sehe ich gar nicht so sehr die Notwendigkeit, sich da selbst so strikt zu limitieren …