In Zeiten, in denen die Gesellschaft immer stärker auseinanderdriftet, kann es die eine oder andere kleine Geschichte brauchen, die zeigt, wie und dass wir uns alle brauchen. Ja, alle. Alle-alle. Alle! Deswegen sollen dir ab sofort bestenfalls regelmäßig kleine Geschichten den Alltag erhellen. Denn ohne Menschlichkeit, ohne Mitgefühl, ohne Achtung und Respekt voreinander sähe es nämlich düster aus. Lass uns hier sammeln, #WasUnsZusammenhält!
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Ich starte solange mit einem Erlebnis aus dem letzten Frühjahr.
Ziemlich genau ein Jahr, bevor das Gesumms mit Corona losging.
#WasUnsZusammenhält, Teil 1: Was mich aufrecht hielt, als ich fast zusammenbrach
Spoiler: Die Spezi war es nicht
25.04.2019: Am Abend findet ein Konzert von Sam Fender in München statt – meine Freude ist entsprechend riesig. Und das, obwohl ich meine präventiv gekaufte zweite Karte nicht losbekommen habe. Kein anderer hat Zeit, mit irgendeinem ertinderten Pseudo-Date will ich auch nicht hingehen. „Macht nichts, genieße ich das Konzert eben alleine!“, denke ich noch – zugegeben etwas trotzig – und fahre am Nachmittag los. Ich habe Urlaub, das Wetter ist herrlich, ein bisschen Bummeln durch die Münchner Innenstadt soll also auch drin sein. Und wer weiß, vielleicht bekomme ich Ticket Nummer zwei kurz vorm Konzert noch los.
Ich bummle also, verbummle darüber meine Zeit und schaffe es nicht, auf dem Weg Richtung Konzert Nähe Ostbahnhof irgendetwas zu finden, wo ich einen Falafel auf die Hand bekommen könnte. Für ein richtiges Essen reicht die Zeit nicht mehr. Nun gut, eine Spezi wird schon reichen, beschließe ich.
Eine Spezi wird’s schon richten!
Mit dem zuckerhaltigen Gesöff in der einen Hand und immer noch zwei Tickets in der anderen suche mir einen guten Platz im vorderen Drittel aus, schön in der Mitte. Ich will ja gut hören – und sehen! Die Halle füllt sich schnell. Wie viele Leute da sind, merke ich vor allem daran, wie viel Luft sie verbrauchen. Es ist ganz schön stickig im Konzertsaal.
Sam und seine Kollegen betreten die Bühne. Sam wirkt trotz breitem Kreuz so filigran, zierlich und zurückhaltend, wie man es sich vorstellt. Dennoch singt er genauso stark und nachdrücklich mit dieser überraschenden Kraft, wie man es sich vorstellt. Die ganze Band zusammen liefert live noch besser ab, als ich es mir je hätte vorstellen können. Das klingt ja noch besser als auf egoFm oder bei den ersten Albums-Auskopplungen! Zum Glück gibt es eine Zugabe. Und, oh je, eine zweite. Ich zucke zusammen: Wieso denke ich jetzt „Oh je?“ Aber da kann ich schon nicht mehr denken – mein Kreislauf ist dabei, zusammenzuklappen. Oh je, oh je – jetzt möchte ich bitte einfach nur ganz schnell raus an die frische Luft oder mich wenigstens an eine Wand lehnen können.
Während ich noch denke: „Aufpassen! Nicht umfallen!“ bin in der nächsten Millisekunde schon im halben Delirium. NOCH stehe ich. Zumindest alles außer meinem Kopf. Den hat ein tiefschwarzes Brummen kellerabwärts gezogen. Wo ist mein restlicher Körper hin? Sitzen wäre jetzt gut. Zwischen allen Menschen will ich mich aber nicht auf den Boden kauern, also versuche ich zu versuchen, an den Rand zu gelangen. Vielleicht stehe ich auch nur komisch da, wie eine Marionette, deren Faden zum Kopf als erster gerissen ist. Ich weiß nicht, was ich in dem Moment wirklich getan habe. Irgendwo in der Ferne singt Sam, mein Schädel dröhnt, und links neben mir kommt ein zögerlich-genervtes „Heeeeh, alles ok“ (die im speziellen sind wohl weniger #WasUnsZusammenhält-mäßig drauf). Da war doch so ein Grüppchen mit Anfangzwanzigern, die vermutlich besser zu der prognostizierten Zielgruppe passen, wobei von ganz Jung bis ganz Alt alles da ist. Wie alt bin ich? Bin ich überhaupt noch? Meine Güte, war das eine saublöde Idee, allein auf ein Konzert zu gehen!
Wer mich aufrichtet
Auf einmal spüre ich eine flache Hand am Rücken: „Ich bring sie jetzt raus!“, tönt es freundlich, aber überaus bestimmt von hinten. Ebenso resolut-fordernd und auch sanft schiebt mich die Besitzerin der Hand nun Richtung Tür. Die Masse teilt sich, lässt uns ohne großes Gemecker durch. Ein kalter Lufthauch – wir nähern uns dem Ausgang. Je näher wir ihm kommen, umso mehr spürte ich mich wieder. Merke, dass und wie Kopf und Körper zusammenhängen, dass man einen Kopf hochheben kann (oh woooww!) und dass man mit zwei Augen aus ihm herausschauen UND ETWAS SEHEN KANN. Ich blicke in die Augen einer freundlichen Frau, etwa fünfzehn Jahr älter als ich. Sie fragt noch zweimal nach, ob auch wirklich alles ok ist, bevor ich – beschämt und erleichtert gleichermaßen – durch die heilsame Kälte zurück zum Bahnhof laufe.
Fazit: Auch allein ist man nie verloren!
Ich bin mein zweites Ticket an diesem Abend also nicht losgeworden. Aber obwohl ich allein auf dem Konzert war, war ich nicht allein. #WasUnsZusammenhält ist also nicht, dass wir uns zwingend mit einer Freundin oder einem Freund zum Konzert treffen. Notfalls helfen auch andere …
Und jetzt möchte ich von dir wissen: Wann ist dir das letzte Mal Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft von jemand Fremdem begegnet? Oder hat sich eine einfach nette Geschichte ereignet? Schreib sie hier oder erzähl sie auf Social Media mit #WasUnsZusammenhält 🙂
Und weil du jetzt sicher wissen willst, wie Sam so klingt …?
Hier sind einige meiner liebsten Songs von ihm, wobei natürlich das ganze Debutalbum grandios ist.
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