Lange, lange war es hier still. Immerhin nicht ganz so lange, wie sich eine meiner Lieblingsbands in Schweigen gehüllt hat – acht Jahre, um genau zu sein. Aber auch damit ist es nun vorbei: Mit „Talks Of Paradise“ melden sich Slut zurück. Ich muss ihr neues Album geradezu zum Anlass nehmen, über sie zu schreiben. Dieser Blog wäre nicht vollständig, bliebe Slut unerwähnt.
Nun ist es so, dass Musik-Beiträge hier sporadisch erscheinen, zumal mir klar ist, dass mein Musikgeschmack eher eigenartig und nicht jedem zumutbar ist. Ich kokettiere damit nicht, meine merkwürdige Anforderung folgt noch. Aber, hej: Womöglich ist gerade deswegen Sluts neustes Album für jede*n was – um nicht zu sagen „Good for All“.
Aber grooven wir uns hier erst einmal mit ein bisschen privatem Blabla ein – meiner persönlichen Beziehung zu Slut.
Was kann schon schiefgehen, wenn es neverending ist?
Als ehemalige Neuburgerin kann es kaum anders sein: Natürlich gehören die Ingolstädter zu den Bands, die ich am längsten und meisten höre. Und das nicht nur aus reinem Lokalpatriotismus: Sie hatten mich ab der ersten Sekunde, als „Falling Down“ erklang. Kennst du das, wenn du eine Musik zum ersten Mal hörst und mit der allernatürlichsten Selbstverständlichkeit einbildest, sie wäre nur für dich gemacht? Dieser Song begleitete mich hymnengleich durch meine 20er. Am liebsten hätte ich ihn im Rahmen eines Studienprojektes als Videoclip umgesetzt. Es wurde dann aber doch „Neverending“ – und der Name programmatisch für die gesamte Semesterarbeit: Wir kippten das Konzept zu 50% der Zeit. Uh.
Irgendein Mensch hat das Video sogar bei YouTube hochgeladen, auf dass es da nun neverending zu sehen sein wird. Ein Meisterwerk ist es aus oben genannten Gründen nicht geworden. Aber dafür hatten wir eine Besprechung mit Slut. Und ich habe mir dabei keine allzu großen Fangirlallüren raushängen lassen. Hoffe ich zumindest.
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Neverending von Slut, offizielles Semesterarbeits-Video von Johannes Krämer, Matthias Lein, Sabine Mannsberger und Miriam Lochner, inoffiziell von wem auch immer hochgeladen
Wenn du gar nicht mit etwas Neuem rechnest, ist es plötzlich da!
Aber nun soll es weit weniger um meine Fangirl-Historie und Studienzeiten gehen als darum, dass das Warten auf ein neues Album endlich ein Ende hat. Ich hatte nicht einmal darauf gewartet, sondern längst mit Slut abgeschlossen. Ihr letztes Konzert im Januar 2014 in München wirkte verdächtig danach. Und bei einem Klassentreffen flüsterte einer, der es hätte wissen können, dass „von denen sicher nichts mehr kommt“.
Und dann: April 2020, eine insgesamt vakuumreiche Zeit. Freude? Macht erst mal nichts. Und genau in so einem Moment ploppt urplötzlich ein neuer Song von Slut auf: „For the Soul There Is No Hospital“. Was für eine Freude! Auch wenn mich das „Ah, Ah!“ und die ersten ungewohnt hoppsigen 24 Sekunden vor Schreck das Gesicht erstmal in den Händen vergraben lassen. So poppig, echt jetzt, Slut?
Alles eine Sache der Gewöhnung: Mittlerweile empfinde ich „…Hospital“ als den Song, der am meisten an die „alten“ Slut erinnert. Und die Ästhetik des Videos trifft meinen Geschmack ohnehin komplett.
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Alles auf neu mit „Talks Of Paradise“
Es ist ja klar: Wer nach so langer Zeit ein neues Album rausbringt, wird kaum 1:1 am Altbekannten, Gewohnten andocken. Das wäre für mein Dafürhalten auch nur ein Armutszeugnis. Nachdem „…Hospital“ nun aber schon eine neue Poppigkeit vermuten ließ, hatte ich wirklich Angst, bei dem neuen Album einen Schock à la „Kid A“ zu erleben: Eine Platte, die ich heute als Meisterwerk einstufe, damals aber ein Schlag mit der Elektronikfaust ins Gesicht war. Was habe ich Radiohead damals für diesen Schritt verflucht! Rückblickend kann ich darüber nur schmunzeln.
„Belly Call“ provoziert ungewohntes Bauchgefühl
Einer ähnlichen Schocktherapie gleich kommt „Belly Call“. Dieser Song ist so dermaßen entfernt von allem, was ich mag, und gleichzeitig fand ich ihn von Anfang an „irgendwie süß“ (exakter Wortlaut meiner allerersten Assoziation). Sauber akzentuierter Sprechgesang über kurze Strecken ist etwas, das ich ungemein mag. (Etwa wie in „Shine“ von Younger Brother oder auch „From Yesterday“ von 30 Seconds to Mars). Da verzeihe ich diesem Song, dass er mir insgesamt zu hell und klar ist, und speichere ihn einfach in meiner Feel Good-Playlist ab.
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Vom Schmerz, der fehlt – weswegen mir das neue Album tendenziell weh tut
Über die weiterem Songs will ich nun gar nicht im Einzelnen weiter auslassen. Ich ruckle mich immer noch hinein. So vieles funktioniert einfach (noch) nicht für mich: Rhythmen, die mir zu aufgeregt und disco sind. Synthie-Sounds, die sofort an die 80er erinnern – überhaupt nicht mein Jahrzehnt, obwohl (oder gerade weil?) ich da geboren bin. Harmonien, die mir unangenehm aufstoßen, weil sie glatt – pardon – ungewohnt mainstreamig anmuten (etwa der Refrain von „Penny Changes Dresses“). Oh nooooes! Slut war für mich doch immer DIE Indie-Perle.
Halten wir fest: Rein instrumental und rhythmisch ist mir „Talks Of Paradise“ streckenweise schlichtweg zu glatt. Ist da einfach doch meine Prämisse:
Musik muss weh tun, damit sie schön ist.
miriam, musik-masochistin
Und dazu gehören für mich Melancholie, vermatschte Soundwolken, Komplexität, ganz viel Moll und – ich gebe es ja zu, obwohl die Dinger mittlerweile anscheinend total out sind – Gitarren und Schlagzeug. Sicher mag ich auch elektrische Elemente, aber sobald keine Seele zu hören ist, bin ich raus. Bei „Talks Of Paradise“ ist das natürlich nicht der Fall, Slut sind ganz klar immer noch Slut, Seele ist nach wie vor zu spüren. Aber: Sie trägt nun Glitzer. Zum Glück klingt Chris’ Stimme wie früher und der bekannte Slut-Sound bricht noch genügend oft durch die nun deutlich glattere Oberfläche. Sonst hätte ich vermutlich weder den Willen noch die Ausdauer, mich in den neuen Stil einzuhören. Puh, es ist echt mühsam, sich in ein neues Album so lange einhören zu müssen. Das Gute ist: Seit dem Erscheinen von „Talks Of Paradise“ höre ich die alten Alben wieder umso häufiger 😉
Liegt es einfach doch an mir?
Ich muss mich nun selbst fragen, warum mich das Neue so stört – generell ist mir Weiterentwicklung doch wichtig. Bei Musik scheint das nur bedingt zu klappen: Lieber höre ich eine Woche nur PJ Harvey als überhaupt mal einen zweiten Song von Billie Eilish. Wenn ich bei meinen „Empfehlungen der Woche“ vor Freude aufquietsche, endlich mal wieder etwas großartiges Neues entdeckt zu haben, ist es nicht selten von 2006–14. (Update am 10.7.21: Da mittlerweile nonstop Biig Piigs „The Sky Is Bleeding“ läuft, ist es wohl doch nur halb so wild! Pheeeew …)
Kann ich mich also einfach auf meinen komischen Geschmack hinausreden, der irgendwo zwischen Indie-Alternative-Triphop feststeckt? Oder ist es das Alter? Aber die Jungs von Slut sind nur minimal älter als ich und haben offensichtlich kein Problem damit, sich auf Trends einzulassen. Und ich kenne viele Gleichalte und Ältere, die tiptop-aktuellen fancy holy Shit feiern. Hie und da tue ich das ja auch. Also, nur wenn er weh tut, versteht sich!
Ist es jetzt nur mein eigener, komischer Geschmack? Oder einfach nur das – uh oh! – Alter?
miriam Lochner, rentnerin in spe
Vielleicht erreichen Slut mit ihrem neuen Stil nun die nächste Generation, die mit dem nun glatteren Sound mehr anfangen kann und von Slut bislang noch nicht sooo viel mitbekommen hat. Gönnen würde ich es ihnen, beiden Seiten – genauso, wie ich mir die anderen, alten Alben gönnen kann. Denn die sind für mich einfach mehr das „Next Big Thing“.
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Weiterführendes Material:
Musikexpress: Interview mit Chris Neuburger zum neuen Album
Musikexpress: Album-Rezension zu Talks of Paradise
Offizielle Website von Slut | Slut auf YouTube | Instagram